Geheime Lust
hielt? Jace empfand einen Anflug von Stolz auf sie. Er dachte an ihre Reaktion auf das Ansinnen, sie in irgendeiner Weise für den Sex zu bezahlen. Obwohl es offensichtlich für sie gewesen sein musste, dass er und Ash Geld hatten, war sie trotzdem nicht geblieben. In einer Hinsicht hatte Ash recht gehabt: Normalerweise gaben
sie
den Frauen den Laufpass. Nie zuvor war eine einfach gegangen, ohne sich einen finanziellen Vorteil zu erhoffen.
Trotz seines Mantels kam es ihm in dem Asyl eiskalt vor. Betroffen stellte er fest, dass die meisten Bewohnerinnen mehr als nur eine Schicht Kleidung trugen. Sogar die ältere Frau, die vor ihm stand, trug noch ihre Jacke und Handschuhe.
»Warum um alles in der Welt schalten Sie nicht die Heizung an?«, empörte er sich.
Die Frau schaute ihn verdutzt an, dann lachte sie freudlos auf. Jace, der mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet hatte, blinzelte überrascht.
»Da müssen Sie sich bei der Stadt beschweren«, erwiderte sie mit verbitterter Stimme. »Die haben uns die Mittel so stark gekürzt, dass wir es uns nicht leisten können, die Heizung reparieren zu lassen. Sie ist letzte Woche ausgefallen. Wir haben ein paar mobile Heizgeräte, die wir nachts anstellen, damit die Frauen wenigstens warm schlafen können.«
Jace stieß eine leise Verwünschung aus.
»Wie kann ich Ihnen nun behilflich sein, Mr …?«
Er reichte ihr die Hand. »Crestwell. Jace Crestwell. Und ja, es gäbe da tatsächlich eine Sache, bei der Sie mir helfen können. Ich bin auf der Suche nach einer Ihrer Mitarbeiterinnen. Ihr Name ist Bethany Willis.«
Die Frau schüttelte ihm die Hand, runzelte jedoch die Stirn. »Ich heiße Kate Stover. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Crestwell. Aber hier arbeitet niemand namens Bethany.«
Jace kniff die Brauen zusammen. »Sie hat dieses Asyl als Kontaktadresse auf einem Arbeitsvertrag genannt.«
Ms Stover schürzte einen Moment die Lippen, dann seufzte sie. »Viele der Frauen geben uns als Adresse an. Es erleichtert die Suche nach einem Job. Die meisten Arbeitgeber sind nicht gerade versessen darauf, eine Obdachlose zu beschäftigen.«
Jace, der nicht ganz begriff, was sie da andeutete, starrte sie an. Nein. Das konnte nicht sein. Aber falls doch … Ms Stover erwiderte seinen Blick nun voller Misstrauen, und ihre Lippen waren so fest zusammengepresst, als bereute sie es bereits, ihm auch nur diese spärliche Auskunft gegeben zu haben.
Jace räusperte sich und gab sich alle Mühe, einen harmlosen Anschein zu erwecken, so zu tun, als habe ihn die von ihr suggerierte Möglichkeit nicht völlig umgehauen.
»Ms Stover, ich bin sehr daran interessiert, Bethany bei mir anzustellen. Es ist ein überaus lukrativer Job, der ihre Lebensumstände deutlich verbessern würde. Falls Sie besorgt sind, dass ich ein eifersüchtiger Liebhaber, ein irrer Exfreund oder Ehemann sein könnte, versichere ich Ihnen, dass nichts davon zutrifft. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen den Namen meines Unternehmens sowie eine ganze Anzahl von Referenzen nennen, dann können Sie meine Geschäftspartner als auch meine Empfangschefin kontaktieren und sich meine Identität und meine guten Absichten bestätigen lassen.«
Noch beim Sprechen drückte er ihr seine Visitenkarte in die Hand, dann beobachtete er, wie sich ihre Augen vor Überraschung weiteten. Sie blickte hoch und taxierte ihn einen langen Moment. Ihre Verunsicherung, ob sie ihm trauen sollte oder nicht, war offensichtlich. Jace wartete mit angehaltenem Atem, bis sie sich schließlich entspannte und ihm mit freundlicherer Miene die Karte zurückgab.
»Sie sagten, die Frau heißt Bethany? Können Sie sie mir beschreiben?«
Jace räusperte sich wieder; er war wegen des anschwellenden Knotens in seiner Kehle fast nicht in der Lage zu sprechen. »Sie ist zierlich. Sehr dünn. Jung. Vielleicht Mitte zwanzig. Schwarzes, überschulterlanges Haar. Sie hatte es mit einer Spange hochgesteckt. Und sie hat sehr lebendige blaue Augen. Unvergesslich.«
Bei seinen letzten Worten leuchtete Begreifen im Blick der Frau auf, und ein sanfter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Ja, ich kenne Bethany. Sie war Samstagmorgen hier, um zu fragen, ob wir ein Bett für die Nacht frei hätten. Bedauerlicherweise musste ich ihr eine Absage erteilen.« Der Kummer in der Miene der Frau war unübersehbar. Sie hob die Hand und strich sich eine silbrige Strähne hinters Ohr. »Es gibt nichts, was ich an meiner freiwilligen Arbeit hier mehr hasse, als wenn ich
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