Geheime Lust
entspannte sich, dann steckte sie lächelnd seine Karte ein. »Ich rufe Sie an, falls ich sie sehe.«
»Danke.«
Jace sah sich in dem Raum um und musterte die Frauen, die auf den Pritschen, den Stühlen und dem Sofa kauerten. Er bemühte sich, den maßlosen Zorn zu bezähmen, der ihn durchströmte.
»Sie bekommen Ihre Heizung, Ms Stover.«
Sie guckte ihn fassungslos an.
Noch auf dem Rückweg zu seinem Wagen zog Jace sein Handy hervor und fing an zu telefonieren.
8
Bethany zitterte wie Espenlaub, als sie über die Straßenkreuzung torkelte. Es verlangte ihr alle Konzentration ab, sich auf den Beinen zu halten und immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wenn sie jetzt hinfiel, würde sie überfahren werden. New Yorks Autofahrer waren nicht gerade als fußgängerfreundlich bekannt.
Ihr Atem beschrieb kleine Dampfwölkchen in der Luft, als sie den Kopf hob und sah, dass die Kirche nur noch einen Straßenblock entfernt war. Sie war fast am Ziel. Ein leises Stoßgebet entrang sich ihren Lippen.
Bitte, lieber Gott. Lass sie heute einen Platz für mich haben
.
Ihre innere Taubheit als auch der Schock hatten sich ein Stück weit gelegt und waren von Neuem der Realität gewichen. Bethany inspizierte ihre Handflächen, sah die Kratzer und das Blut. Ihre Hose war an den Knien und der Hüfte zerrissen, auch dort hatte sie Schürfwunden, und das Blut fühlte sich glitschig an auf ihrer Haut. Es kittete den Denim an ihre Beine, fror ihn daran fest.
Tränen brannten unter ihren Lidern. Wie konnte Jack das nur getan haben? Ihr verschwamm die Sicht, aber sie zwang sich, tief durchzuatmen, fest entschlossen, auch noch das letzte Stück bis zu dem Asyl zu bewältigen. Sie wäre schon zufrieden, wenn sie ihr dort nur Zuflucht für eine Stunde, einen Platz, um sich aufzuwärmen, ihre Wunden zu säubern und ihren malträtierten Körper auszuruhen, geben konnten.
Sie hatte kein Geld. Sie hatte gar nichts. Ihr Lohn, den sie so sorgsam gehütet hatte, war weg. Jack schuldete ein paar wirklich üblen Leuten Geld, und sie waren gekommen, um es einzutreiben. Bei
ihr
. Während sie wie betäubt auf dem eisigen Boden gekauert hatte, hatten sie die Scheine aus ihrer Tasche gezerrt. Einer hatte sie noch in die Seite getreten, dann waren sie gegangen, nachdem sie sie drohend daran erinnert hatten, dass Jack ihnen
eine Menge
mehr schuldete und Bethany eine Woche Zeit hatte, um die Kohle aufzutreiben.
Sie biss sich auf die Lippe, als sich ein neuer Tränenansturm Bahn zu brechen versuchte. Sie war erschöpft und fühlte sich sterbenselend. Ihr tat alles weh, und die Kälte als auch der Hunger waren so kraftzehrend, dass sie sich einfach nur zusammenrollen und sterben wollte.
Ihr wurde schwindlig vor Erleichterung, als sie die Tür des Asyls erreichte. Gleichzeitig hatte sie Angst davor hindurchzutreten, denn falls man sie wegschickte, wusste sie nicht, ob sie sich aufraffen konnte, wieder hinauszugehen.
Bethany schloss die Augen und holte tief Luft, dann streckte sie die Hand aus und stieß die Tür auf.
Sie wurde von einem Schwall warmer Luft begrüßt, der sich so gut anfühlte, dass sie ein Schwächeanfall überkam und sie um ein Haar in sich zusammengesackt wäre. Das letzte Mal, als sie hergekommen war, war es nicht so warm gewesen. Die Heizung hatte nicht funktioniert.
Im Inneren hörte sie die Stimmen anderer Frauen. Sie klangen fast …
glücklich
. Dabei waren Obdachlosenheime im Allgemeinen keine Orte, an denen das Glück wohnte. Verlockende Aromen stiegen ihr in die Nase. Bethany sog sie in sich auf, und ihr Magen begann zu grummeln. Was immer es heute hier zu essen gab, es duftete wundervoll.
Sie machte einen zögerlichen Schritt ins Innere und ließ die Tür hinter sich zufallen. Die Wärme war so willkommen, dass sie sich eine ganze Weile nicht rühren konnte, während das Gefühl in ihre Hände und Füße zurückkehrte. Sie war willkommen und extrem unwillkommen zugleich, denn zusammen damit kam der Schmerz.
»Bethany, sind Sie das, Liebes?«
Bethany hob überrascht den Kopf und runzelte die Stirn. Sie hatte hier doch nie ihren Namen angegeben, oder doch? Sie durchstöberte ihre Erinnerung, kam jedoch nicht darauf, ob sie der freiwilligen Helferin irgendetwas über sich erzählt hatte.
Doch sie nickte, da sie ihre Chance, bleiben zu dürfen, nicht verringern wollte.
»Was um alles in der Welt ist passiert?«
Die ehrenamtliche Helferin kam mit solch bestürzter Miene auf sie zu, dass Bethany
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