Geheime Lust
gepasst. Sie war damals nicht so schlank, nicht so dünn gewesen, sondern hatte mehr Kurven, eine echte Figur gehabt.
Ihr Busen war ihr zwar geblieben, viel mehr aber auch nicht. Sie hatte kaum Hüften, keinen nennenswerten Hintern. Der Gewichtsverlust hatte ihre Statur kantig gemacht. Das Leben auf der Straße war hart. Man alterte vorzeitig.
Nachdem sie sich die Zeit genommen hatte, sich vollständig abzutrocknen, zog sie das Höschen an, das zwischen der Jeans und dem T-Shirt steckte. Es war ihr peinlich, die Unterwäsche einer anderen Frau zu borgen, zudem gab es keinen Büstenhalter, aber vermutlich machte es sowieso keinen Unterschied. Sie selbst besaß nur zwei, und beide fielen halb auseinander. Der, den sie zuvor ausgezogen hatte – vielmehr hatte Jace das getan –, war schmutzig und zerrissen. Er war nicht mehr zu retten.
Außerdem war es ja nicht gerade so, als wäre Jace mit ihren Brüsten nicht bestens vertraut. Sie ohne BH zu sehen würde ihn nicht schockieren.
Bethany zog sich das T-Shirt über den Kopf. Es fiel sehr locker und reichte ihr bis über die Hüften, dabei spannte es noch nicht mal über ihren Brüsten, was bedeutete, dass die Frau, der es eigentlich gehörte, besser bestückt sein musste als sie.
Nachdem sie in die Jeans geschlüpft war, nahm sie das Handtuch von ihrem Kopf und kämmte sich mit den Fingern die Haare, um die feuchten, verstrubbelten Flechten zu entwirren. Es gelang ihr nur mäßig, aber sie wollte nicht in Jace’ Schubladen nach einer Bürste stöbern.
Bethany atmete tief durch, straffte die Schultern und wandte sich der Tür zu. Mit der Hand am Knauf zögerte sie wie ein furchtsames Häschen. Die Vorstellung, Jace gegenüberzutreten, machte ihr höllische Angst. Nicht weil sie glaubte, dass er ihr wehtun würde, sondern weil sie wusste, dass sie ihm nicht annähernd gewachsen war. Schlimmer noch, sie war sich noch nicht mal sicher, ob sie ihm gewachsen sein wollte. Es war wesentlich einfacher, ihm das Kommando zu überlassen. Dass jemand sich ihrer annahm, war derart unvertrautes Terrain für sie, dass sie der Verlockung kaum widerstehen konnte. Es war wie die sprichwörtliche Karotte, die vor der Nase des Esels baumelte.
Sie fuhr zusammen, als die Tür gegen ihre Hand vibrierte.
»Bethany? Bist du fertig?«
Sie schluckte schwer, öffnete die Tür und fand sich Jace gegenüber, der nur einen Schritt entfernt stand. Er ließ den Blick über ihren Körper gleiten und runzelte die Stirn.
»Du musst die Jeans wieder ausziehen. Ich wollte deine Wunden verbinden, bevor du dich ankleidest.«
»Das hatte ich vergessen«, entgegnete sie schüchtern. »Ich dachte, du willst, dass ich mich anziehe, weil du mir die Sachen hingelegt hattest.«
»Ist nicht weiter schlimm. Komm mit ins Wohnzimmer. Wir erledigen es dort.«
Jace legte die Hand um ihren Ellbogen, dann geleitete er sie aus dem Bad zurück in sein Schlafzimmer und weiter in den weiträumigen Wohnbereich.
Die Panoramafenster boten einen sagenhaften Ausblick auf die Stadt.
»Zieh die Jeans aus«, wies er sie an. »Dann mach es dir auf der Couch bequem. Das Essen ist fast fertig. Sobald ich deine Wunden vollständig versorgt habe, können wir essen.«
In dem Wissen, dass jeder Widerspruch zwecklos war, knöpfte Bethany die Jeans auf und streifte sie von den Beinen.
»Ich weiß, dass sie zu groß ist«, kommentierte Jace, als Bethany sich die Hose von den Füßen zog. Er fasste nach ihrer Hand und zog sie daran nach unten, bis sie neben ihm saß. »Morgen ziehen wir los und besorgen dir alles, was du brauchst. Und das Erste wird eine warme Jacke sein. Draußen herrschen eisige Temperaturen, und du bist ohne vernünftige Kleidung quer durch die Stadt gelaufen. Dieser Mist hat jetzt ein Ende.«
Sein Tonfall war stählern, doch die unterschwellige Besorgnis, die in seinen Worten mitschwang, brachte seine tief verwurzelte Ruppigkeit ein wenig zum Bröckeln. Er sprach wie jemand, der sich wirklich für ihr Wohlergehen interessierte.
Bethany schüttelte den Gedanken hastig ab, denn diese Art von Illusion stellte ein gefährliches Terrain dar. Sie hatte auf die harte Tour gelernt, dass sie sich auf absolut niemanden außer auf sich selbst verlassen konnte. Auch wenn sie sich selbst im Stich gelassen hatte. So wie es alle anderen auch getan hatten.
Jace beugte sich zum Couchtisch, auf dem ein kleiner Erste-Hilfe-Kasten stand. Es herrschte lange Minuten Stille, während er Salbe auf jede einzelne Wunde strich, bevor
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