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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Sein Geruch hüllte mich ein, und ich hielt mich an ihm fest, bis ich eingeschlafen war.

Kapitel 15
    Am Morgen erwachte ich allein im Krankenzimmer. Doolittle brachte mir ein riesiges Frühstück und stand vor mir, während ich die Rühreier, die Filetspitzen und die Pfannkuchen bis auf den letzten Krümel aufaß. Ich schlang alles hinunter, dann verließ ich die Klinik, um mich auf die Suche nach Roman zu machen.
    Ich fand den Priester des bösen Gottes in einer Ecke im nördlichen Innenhof. Es war einer von mehreren kleinen Höfen innerhalb der Festung, die von hohen Mauern abgeschirmt wurden, um eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten. Um hinzugelangen, musste ich durch den Steinbogen treten, der durch einen gedrungenen Turm führte; unterwegs hörte ich ein helles Kichern.
    Der schwarze Wolchw saß, von einer Schar Kinder umringt, auf einer Bank. Er ließ kleine Dinge aus seinen Händen verschwinden und hinter ihren Ohren oder in ihrem Haar wieder auftauchen. Ein weiblicher Werschakal beobachtete ihn diskret von der Mauer aus. Besucher in der Festung wurden nie unbeaufsichtigt gelassen, schon gar nicht in der Nähe von Kindern.
    Ich lehnte mich gegen die Wand und beobachtete ebenfalls den Wolchw. Roman hatte etwas unglaublich Fröhliches an sich. Es war, als wäre ein Teil seines Lebens so trostlos und düster, dass er das Bedürfnis verspürte, so viel wie möglich aus dem Rest herauszuholen, noch das letzte Tröpfchen Spaß und Glück herauszupressen. Sogar seine leidenden, qualvollen Seufzer hatten etwas Gespieltes, als würde er seine Verärgerung nur vortäuschen.
    Roman sah mich. »Okay, das war genug Magie für heute. Zerstreut euch jetzt. Zerstreut euch, zerstreut euch.«
    Die Kinder rannten davon. Roman breitete die Arme aus. »Ich kann nichts machen. Ich bin nun mal bei allen beliebt.«
    Ich lächelte und setzte mich zu ihm auf die Bank. »Ich habe eine ernsthafte Frage an dich.«
    »Und ich werde dir eine ernsthafte Antwort geben.«
    »Kann man einen Gott töten?«
    Jeglicher Humor verschwand aus Romans Miene. »Nun, das hängt davon ab, ob man Pantheist oder Marxist ist.«
    »Was ist der Unterschied?«
    »Erstere glauben, dass das Universum göttlich ist. Beide Begriffe sind synonym und können ohneeinander nicht existieren. Zweitere glauben an den Anthropozentrismus und sehen den Menschen im Zentrum des Universums und halten Götter nur für eine Erfindung des menschlichen Bewusstseins. Wenn man es jedoch mit Nietzsche hält, kann man Gott einfach dadurch töten, dass man an ihn denkt.«
    Stell einem Priester eine Frage, und du bekommst eine enigmatische Antwort. Ganz gleich, welcher Religion er angehört. »Roman«, sagte ich. »Kann ich Anubis töten?«
    »Ich versuche gerade, darauf zu antworten. Anubis ist eine Gottheit, eine Ansammlung von bestimmten Ideen und Überzeugungen. Eine Idee kann man nicht töten, weil man dazu jeden Menschen auslöschen müsste, der daran teilhat. Die beste Möglichkeit wäre, jeden ausfindig zu machen, der die Idee seiner Existenz mit sich herumträgt, und in den Kopf zu schießen.«
    »Also lautet die Antwort nein?«
    Roman seufzte. »Ich bin noch nicht fertig. Du möchtest einfache Antworten auf sehr komplizierte Fragen. Auf die falschen Fragen. Eigentlich solltest du nicht fragen, ob man einen Gott töten kann, du solltest fragen, was Anubis ist. Du musst die Natur einer Sache verstehen, bevor du ihre Existenz beenden kannst. Im Fall von Anubis ist seine Göttlichkeit nur zum Teil ausgeprägt. Er benötigt eine sterbliche Gestalt, um die Technikphasen zu überleben. Seine sterbliche Gestalt ist genau das – sterblich. Du kennst ihre Natur. Du weißt, wo du schneiden musst, um sie zu brechen. Du kannst Anubis’ Existenz in sterblicher Form beenden. Wird es auch das Ende von Anubis sein? In dieser Welt gibt es keine Gewissheiten, aber meine Theorie lautet: Nein, es wäre nicht sein Ende. Solange es einen Anubis-Kult gibt, die Verehrung der spezifischen Ideen, die ihn ausmachen, zusammen mit einem spezifischen Bild, wird er weiterexistieren. Er wird eine Wiedergeburt erleben.«
    »Wie schnell?«, fragte ich.
    »Wie schnell wird er zurückkehren, wenn du ihn atomisiert hast?« Roman runzelte die Stirn. »Er hat seine körperliche Gestalt nur schwach im Griff. Allein die Tatsache, dass er getötet werden könnte, wirkt sich bereits schädlich auf seine Göttlichkeit aus. Die Menschen glauben nicht gern an Götter, die ermordet werden können und tot bleiben,

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