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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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nicht. Die Schuppe ist seine Rüstung. Ohne sie wird er leichter zu töten sein. So ist sein Körper weicher.«
    »Wo? Wo werden sie ihn wiederauferstehen lassen?«
    Der Schakal lachte leise.
    Ich packte sein Ohr und grub meine Fingernägel ins Fleisch. »Wo werden sie es tun? Wann?«
    »Ich weiß es nicht.« Der Schakal fuhr herum und biss mich, nahm meinen halben Körper von der Seite in sein großes Maul. Zähne stachen in meinen Bauch und meinen Rücken. »Du bist die Detektivin. Finde es heraus.«
    Die Welt kehrte in einem Ansturm aus blendendem Schmerz zurück, und ich sah Doolittles Augen über einer chirurgischen Gesichtsmaske. Todesqualen brannten in meinem Arm.
    »Sie blutet!«, knurrte Raphael.
    »Keine Sorge«, sagte Doolittle mit ruhiger und fester Stimme.
    Irgendeine Gestaltwandlerin, die ich nicht kannte, schlug meine Decke zurück. Zwei Bögen blutiger Zahneindrücke klafften in meinem Bauch.
    »Alles in Ordnung mit mir«, stieß ich hervor. »Macht weiter.«
    Raphael nahm meine Hand. Ich drückte sie und beobachtete, wie sich die Bissspuren wieder schlossen, während Doolittle sich weiter durch meinen Knochen sägte.
    *
    Endlich war Doolittle fertig. Es schmerzte nicht mehr, nachdem der Knochen aufgeschnitten war – oder nicht mehr allzu zu sehr. Roman saß eine Weile auf meinem Bett und erzählte mir Witze, während die anderen aufräumten.
    Schließlich gingen alle. Es war dunkel geworden. Ich hatte darum gebeten, alle Lichter auszuschalten, sodass nur noch der Mondschein übrigb blieb. Er umfloss mich, und ich fühlte mich absolut allein.
    Ich entließ einen langen Atemzug. Es klang eher wie ein Schluchzen.
    Ein Schatten löste sich von der Tür zum Bad und kam quer durch den Raum auf mich zu. Sein Geruch erreichte mich zuerst, sein verlockender, tröstlicher, ärgerlicher Geruch. Raphael hockte sich kniend auf das Bett, legte einen Arm auf das Kopfende und beugte sich über mich, bis unsere Augen auf gleicher Höhe waren. »Hallo.«
    »Hallo.«
    »Was ist mit dir los?«
    »Nichts. Wie kommst du darauf, dass etwas mit mir los sein könnte?«
    Seine blauen Augen musterten mich. »Du bist mit Bissspuren im Bauch und Schlamm an den Füßen aus der Narkose aufgewacht.«
    »Viele Gestaltwandler wachen recht früh aus einer Narkose wieder auf.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir reden hier von einer Narkose, die Doolittle ausgeführt hat. Was ist los?«
    Ich biss die Zähne zusammen, um die Antwort zurückzuhalten.
    »Andi, ich bin bei dir. Schau mich an.« Er beugte sich tiefer herab. »Schau mich an.«
    Ihn anzuschauen war ein fataler Fehler. Die Worte brachen aus mir hervor, und ich konnte sie nicht länger im Zaum halten. Ich legte meine Arme, den gesunden und den im Gipsverband, um ihn. Meine Wange streifte seine, ich spürte seine Haut auf meiner, und ich küsste ihn. Ich küsste ihn mit so viel Zärtlichkeit und Liebe, wie ich konnte, weil ich ihn auf die eine oder andere Weise verlieren würde.
    »Er will meinen Körper«, flüsterte ich Raphael ins Ohr. »Er möchte lieber meinen als seinen Körper benutzen, weil ich die bessere Gestaltwandlermagie habe.«
    Seine Arme schlossen sich fester um mich.
    »Ich muss mich ihm anbieten.«
    »Und wenn du es nicht tust?«, flüsterte er.
    »Dann werden schlimme Dinge geschehen.« Ich küsste ihn wieder und hielt ihn in den Armen. »Ich werde gegen ihn kämpfen. Ich werde mit allem, was ich habe, gegen ihn kämpfen, aber wenn es so weit kommt – was auch immer ich tue, wenn er mich übernommen hat, was auch immer ich dann sage, ich bin es nicht mehr.« Ich flüsterte so leise, dass ich mir gar nicht sicher war, ob er mich verstanden hatte. »Ganz gleich, was geschieht, ich liebe dich. Du wirst immer mein Partner sein. Es tut mir so leid. Es tut mir so leid, dass uns keine Zeit mehr bleibt.«
    Raphael drückte mich an sich. »Hör mir zu.« Sein Flüstern war ein grimmiges Versprechen. »Er wird dich nicht bekommen. Wir werden ihn gemeinsam töten. Vertrau mir. Ich werde dich nicht loslassen.«
    »Vielleicht musst du es tun«, sagte ich. »Du musst mir versprechen, dass du fortgehst, wenn er meinen Körper bekommt, Raphael. Du wirst weiterleben, du wirst jemanden finden, den du liebst, du wirst Kinder haben …«
    »Sei still«, sagte er.
    »Versprich es mir.«
    »Ich werde dir gar nichts versprechen«, sagte er. »Ich werde sterben, bevor ich dich verliere.«
    »Raphael!«
    »Nein.«
    Er schlüpfte zu mir unter die Bettdecke und hielt mich in den Armen.

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