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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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es. Ich konnte ihm einfach den Kopf abreißen, aber damit wäre mir kein bisschen geholfen. Wenn er hier in der Glasmenagerie starb, würde die Polizei einfach nur denken, dass er sich in Gefahr begeben hatte und darin umgekommen war. Was wirklich ein interessanter Gedanke war.
    Eine Kreatur, die auf allen vieren ging, trat ins Zelt. Früher war sie ein Mensch gewesen, aber nun war jedes Fett verschwunden und durch harte, knotige Muskeln ersetzt worden. Die Haut spannte sich so straff, dass es aussah, als hätte man sie aufgemalt. Der Kopf war kahl, genauso wie der Rest des widerlichen Körpers, und die Augen, die rot und in fiebrigem Durst glühten, brannten sich wie zwei heiße Kohlen in mich. Die übergroßen Kiefer standen ein Stück vor, und als das Wesen den Mund öffnete, sah ich zwei gekrümmte Fangzähne.
    Ein Vampir. Der üble Gestank des Untoten schlug mir entgegen, und vor instinktivem Ekel sträubten sich meine Nackenhaare. Wenigstens erklärte das den leichten Wachschutz. Sie hatten einen Untoten als Aufpasser. Und wo es einen Vampir gab, gab es auch einen Navigator.
    Eine Infektion durch den Immortuus -Erreger löschte das Bewusstsein eines Menschen vollständig aus. Vampire wurden nur von ihrem Instinkt angetrieben, und dieser Instinkt schrie: »Hunger!« Sie pflanzten sich nicht fort. Sie hatten keine Denkfähigkeit. Sie waren nur auf der Jagd nach Fleisch. Alles mit einem Puls war als Beute geeignet. Ihr leerer Kopf war das perfekte Vehikel für Nekromanten. Wenn sie talentiert waren und ausgebildet wurden, konnten diese Navigatoren oder Herren der Toten Vampire übernehmen und sie telepathisch wie ferngesteuerte Fahrzeuge bewegen. Sie sahen durch die Augen der Vampire, sie hörten durch ihre Ohren, und wenn ein Untoter den Mund öffnete, war es der Navigator, der durch ihn sprach.
    Die meisten Navigatoren arbeiteten für das Volk der Freien Menschen. Das Volk und das Rudel hielten einen labilen Waffenstillstand, der jederzeit in einen offenen Krieg umschlagen konnte. Wenn das Volk an dieser Grabungsstelle für die Sicherheit verantwortlich war, würde sich mein Leben von nun an wesentlich komplizierter gestalten.
    Ein Mann folgte dem Vampir. Er trug zerrissene Jeans, ein schwarzes T-Shirt, auf dem in blutroten Lettern »Versüß mir den Tag« stand, und ein Dutzend Ringe an verschiedenen Stellen seines Gesichts. Er hätte ein Wandergeselle des Volks sein können, aber das war sehr unwahrscheinlich. Zum einen folgte er seinem Vampir, statt irgendwo draußen zu hocken und unauffällig an den geistigen Marionettenfäden des Untoten zu ziehen. Zum anderen sahen die Gesellen des Volks aus, als würden sie gerade von einem Plädoyer vor dem Obersten Gerichtshof kommen. Sie trugen Anzüge und gute Schuhe und hatten eine tadellos gepflegte Erscheinung.
    Nein, dieser Armleuchter konnte nur ein selbstständiger Navigator sein, was bedeutete, dass ich ihn töten konnte, ohne dass es diplomatische Konsequenzen hatte, sofern er mich nicht zuerst tötete.
    »Wo waren Sie so lange, Envy?«, wollte Kyle wissen.
    Ich sah ihn an. »Envy?«
    Ascanio gluckste amüsiert.
    »Hier und da«, sagte Envy.
    »Ich will, dass diese Leute gehen«, sagte Kyle. »Machen Sie Ihren verdammten Job.«
    Der Vampir zischte. Envy lächelte und ließ seine schlechten Zähne blicken.
    Ascanio hatte sich wieder gefasst. »Kann ich mich jetzt verwandeln?«
    »Nein.« Ich drehte mich um und ging einen Schritt auf die Machete zu, die Tony aus der Hand gefallen war. Ich sah den Navigator an. »Sie haben die Gelegenheit, sich zu entfernen. Nutzen Sie sie.«
    »Kann ich sie töten?«, fragte Envy.
    »Sie können tun, was Sie für nötig halten«, erklärte Kyle.
    Ich musste schnell reagieren. Ein Handgemenge mit einem Vampir konnte nur böse enden. Ich würde mir lieber einen Ringkampf mit einer wütenden Grizzly-Mutter liefern. »Gehen Sie einfach. Ihre letzte Chance.«
    Envy grinste. »Sag dein letztes Gebet, Miststück!«
    »Gehörst du zum Volk?«, fragte ich.
    »Verdammt, nein.«
    »Falsche Antwort.«
    Draußen zersplitterte Glas. Ein Schrei hallte durch die Stille, der schmerzhafte Schrei eines Mannes, der Schreckliches erlebte. Zwei weitere folgten.
    »Was ist da los, zum Teufel?«, knurrte Kyle.
    Wir verließen der Reihe nach das Zelt.
    Der Eisenbahnwaggon war auf der Oberseite aufgeplatzt wie eine Dose mit schlecht gewordenen Bohnen. Kreaturen strömten heraus und kletterten aufs Dach. Dicke blassgraue Haut überzog ihre gedrungenen,

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