Geheime Macht
eine Maus erspäht hatte.
»Du solltest mich zu den Toiletten führen, damit wir es machen können«, sagte ich zu ihm.
Ein rubinroter Blitz flammte in seinen Augen auf und zerschmolz. Er beugte sich zu mir herab und drückte mich an sich. »Was?«
»Du solltest mich zu den Toiletten führen, damit wir es machen können«, wiederholte ich an seinem Ohr. »Wir schaffen es auf keinen Fall, wenn wir die Treppe raufgehen. Wir können durch das Toilettenfenster in den ersten Stock hinaufsteigen.«
Raphaels Hand glitt von meiner Taille herab und legte sich auf meinen Hintern. Ein leichter Stromschlag fuhr durch meinen Körper.
»Mann, du gehst aber ganz schön ran!«
»Ich muss mich ein bisschen in Stimmung bringen.« Raphaels Grinsen war abgrundtief böse.
Wir tanzten noch eine Weile.
Raphael drückte meine Pobacke zusammen.
»Ernsthaft?«
Er antwortete mit einem leichten Schulterzucken. »Alles nur vorgetäuscht, Schätzchen. Schon vergessen?«
Ich schlang die Arme um seinen Hals und reckte mich wie eine Katze, die gestreichelt werden wollte.
Am anderen Ende des Saals fiel ein Glas zu Boden. Das Klirren lenkte die kollektive Aufmerksamkeit aller Besucher auf sich. Raphael nahm meine Hand, und wir entschlüpften unauffällig in den linken Korridor. Hier war so gut wie niemand. Zwei Männer lungerten an der Wand herum und waren in eine Diskussion vertieft, in der Worte wie »dieses Arschloch« und »als würde ihm der verdammte Laden gehören« fielen. Sie beachteten uns nicht weiter.
Auf der rechten Seite gab es eine Tür mit der Aufschrift BAD .
Raphael versuchte, sie zu öffnen, aber der Türknauf ließ sich nicht drehen. Besetzt.
Ein Wachmann kam aus einem anderen Zimmer und trat in den Korridor. Er war ein ernster, humorloser Klotz im schwarzen Anzug und Ohrstöpsel.
Raphael drückte mich an die Wand, hob meinen rechten Arm und hielt ihn mit seiner linken Hand fest. Das älteste Drehbuchklischee.
Er musterte mein Gesicht für einen Sekundenbruchteil, bevor er sich herabbeugte … und seine Lippen auf meine legte.
Ich wollte ihn küssen. Ich wollte ihn so sehr, dass mein Verlangen alles andere ausblendete. Warum zum Teufel sollte ich ihn nicht küssen? Wen interessierte es, ob er eine Verlobte hatte? Ich war ihr keine Rechenschaft schuldig. Anständiges Verhalten wurde extrem überbewertet.
Raphael leckte an meinen Lippen, fordernd, verführerisch. Seine Zähne packten meine Unterlippe und zogen leicht daran. Jetzt hatte ich ihn ganz für mich. In diesem Moment gehörte er vollständig mir, nur mir allein.
Ich öffnete den Mund.
Er zögerte, küsste meine Lippen, vorsichtig und bestimmt, als hätten wir alle Zeit der Welt. Kleine Elektroschocks jagten von meinem Herzen bis in die Fingerspitzen.
Seine Zunge glitt in meinen Mund und berührte die Spitze meiner Zunge. Er schmeckte nach Raphael: gleichzeitig würzig, feurig und begehrend. Ich leckte ihn, forderte ihn auf. Wir küssten uns, und jede Berührung seiner Zunge und seiner Hände, die meinen Körper liebkosten, verstärkte sich zu einer fast schmerzhaft intensiven Empfindung. Wärme breitete sich in mir aus, und mein Körper war bereit für mehr. Ich wollte, dass er mich berührte. Ich wollte seine Hände auf meinen Brüsten spüren. Ich wollte ihm die Kleider vom Leib reißen und mit den Fingern über die harten Muskeln seines Brustkorbs gleiten. Ich neckte ihn, lockte ihn, um mich dann zurückzuziehen, damit er glaubte, er könnte mich erneut küssen, um stattdessen ihn zu küssen.
Es fühlte sich an, als würde man nach Hause kommen. Es fühlte sich an wie eine Salbe, die eine schmerzende Wunde linderte. Ich liebte ihn so sehr, und ich küsste ihn. Ich trank den Cocktail aus süßen Erinnerungen und der Ahnung einer bitteren Zukunft.
Neben uns wurde die Tür zum Bad geöffnet, was in meinen Ohren viel zu laut klang.
Ich hielt inne, und Raphael richtete sich wieder auf. Ein kleiner Mann kam aus der Toilette und zeigte ihm den hochgereckten Daumen und ein »Na los!«-Lächeln, bevor er in Richtung Saal zurückging. Von dem Wachmann war nichts mehr zu sehen.
Der Kuss hatte ein großes klaffendes Loch in mir aufgerissen. Ich wollte Raphael. Ich wollte ihn festhalten und die Gewissheit haben, dass er mir gehörte. Ich wollte unbedingt Sex mit ihm haben. Ich brauchte unbedingt eine kalte Dusche.
Ich musste mich zusammenreißen und dann entscheiden, wie böse ich wirklich sein wollte. Weil es wirklich sehr, sehr böse wäre, wenn ich in
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