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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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legte eine Hand auf seine Schulter und zog ihn herunter, bis er mit mir auf gleicher Augenhöhe war. »Schau dir das Zimmer an.«
    Er blickte sich im Büro um und riss erstaunt die Augen auf.
    »Also bilde ich es mir nicht ein«, flüsterte ich.
    »Nein.« Er fletschte die Zähne. »Je schneller wir von hier verschwinden, desto besser.«
    Ich probierte die untere Schublade. Sie ließ sich mühelos aufziehen. Ich stöberte darin herum. Papiere, monatliche Geschäftsberichte von der Bank … nichts Interessantes. Ich probierte die obere Schublade. Sie war verschlossen.
    Raphael zog einen Dietrich aus der Tasche und steckte ihn ins Schloss. Er drehte, und das Schloss klickte. Er zog die Schublade auf. Darin lag eine Aktenmappe aus braunem Leder. Ich nahm sie heraus, legte sie auf den Schreibtisch und klappte sie auf. Ein Foto in einer Klarsichthülle zeigte eine Schale aus Elfenbein. Darauf waren Menschen in einen Kampf verwickelt, und lange Schiffe mit kleinen Kabinen segelten über das Meer der ertrunkenen Leute.
    »Was glaubst du, aus welchem Land das stammt?«
    Raphael blickte sich im Büro um. »Wenn ich das wüsste.«
    Ich wünschte, Kate wäre bei mir. Sie hätte mir gesagt, wann und wo diese Schale für welchen Gott gemacht worden war.
    Ich blätterte zur nächsten Plastikhülle um. Dieses Foto zeigte einen antiken Krug aus braunem Ton mit langer kegelförmiger Tülle. Die Spitze der Tülle war abgebrochen. »Was glaubst du, was das ist?«
    »Ein Nachttopf.«
    »Das ist kein Nachttopf. Könntest du das hier bitte ernst nehmen?«
    »Ich nehme es sehr ernst«, sagte er leise.
    Ich blätterte wieder um. Ein ramponierter Dolch mit Elfenbeingriff … einen Moment.
    »Das Ding kenne ich«, sagte ich und tippte auf die Klarsichthülle. »Ich habe es heute in der Bibliothek gesehen. Jamar hat dieses Messer gekauft. Es stammt von Kreta, und ich habe es im Tresorraum nicht gesehen.«
    Ich starrte das Messer an. Es war sehr schlicht gearbeitet, mit einer dreißig Zentimeter langen gekrümmten Klinge und einem einfachen Griff, der erstaunlich gut erhalten war.
    Raphael konzentrierte sich auf die Klinge. »Es ist ein Zierdolch.«
    »Woher weißt du das?«
    »Die Klinge wurde nie geschärft.« Er strich mit dem Finger an der gekrümmten Schneide entlang. »Siehst du? Keine Scharten im Metall. Und das Profil ist völlig falsch. Zu krumm, um damit zustechen zu können, und wenn man damit zuschlägt, könnte man die Klinge nicht ganz durch die Wunde ziehen. Es sieht eher wie ein Tourniermesser aus.«
    »Was ist das?«
    »Ein Küchenmesser zum Schälen. Wir haben eins im Messerblock, falls du dich erinnerst.«
    Irgendwann würde er aufhören müssen, »wir« zu sagen. Wenn ich ihn jetzt darauf hinwies, würde ich den Fluss der Informationen unterbrechen, und ich konnte sein Fachwissen gut gebrauchen. Ich kannte mich mit Schusswaffen aus, Raphael mit Messern. Also ließ ich ihn weiterreden.
    »Wenn es geschärft und kürzer wäre, könnte es eine Abwandlung eines Karambit sein, eines Krummdolchs von den Philippinen. Er ist wie eine Tigerkralle geformt. Ich konnte nie viel damit anfangen – es ist zu klein, meine eigenen Krallen sind viel länger. Was hast du gesagt, wo es gefunden wurde?«
    »Auf Kreta.«
    Raphael runzelte die Stirn. »Kretische Messer und Schwerter waren normalerweise schmal und zugespitzt, ähnlich wie das griechische Kopis.« Er drehte das Foto um. Und drehte es noch einmal um. »Hmm.«
    »Was?«
    Er hielt das Foto so, dass die Klinge nach unten zeigte. »Eine Hacke. Daran erinnert es mich. Die einzige Möglichkeit, die Klinge mit optimaler Wirkung einzusetzen, besteht darin, auf jemanden einzustechen, indem man sie von oben nach unten führt.« Er hob seine Faust und bewegte sie, als würde er mit einem Hammer zuschlagen. »Wie mit einem Eispickel.«
    »Wenn zum Beispiel jemand gefesselt ist und man ihm ins Herz stechen will?«
    »Gut möglich. Und dafür hat Anapa vier Leute getötet?« Raphaels Stimme troff vor Spott und Zorn.
    »Das wissen wir nicht.« Trotzdem verriet meine Stimme, wie aufgeregt ich war. »Wir wissen nur, dass Anapa von diesem Messer wusste und dass es wichtig ist. Aber wir wissen nicht, warum.« Es gab auch keine weitere Beschreibung. Ein Kärtchen mit der Bezeichnung und den besonderen Eigenschaften des Dolchs wäre sehr praktisch gewesen. »Aber damit kommen wir vielleicht weiter.«
    Ich blätterte bis zum Ende der Mappe. Weitere Artefakte. Aber nichts, das ich wiedererkannte. Das

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