Geheime Macht
Wahl: Entweder begleitete ich ihn, oder der Orden würde mich in Gewahrsam nehmen und mit Fußfesseln ins Hauptquartier bringen. Man ließ mich zwei Nachrichten schreiben, für zehn Minuten in meine Wohnung gehen, um mir ein paar Sachen zu schnappen, und dann waren wir auch schon wieder weg. Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, jemanden zu finden, der sich um Grendel kümmert. Ich musste den Hund mitnehmen, und damit waren sie auch nur einverstanden, weil ich ihnen einen blutigen Kampf geliefert hätte, wenn sie den Hund in meinem Haus hätten verhungern lassen. Ich habe dir nicht absichtlich wehgetan, aber du hast es vorsätzlich getan. Bin ich nur ein Spielzeug für dich?«
Seine Augen sprühten rote Funken. »Ich könnte dir dieselbe Frage stellen.«
»Du … du Arschloch! Du verhätscheltes Baby!«
»Egozentrische Zicke.«
»Muttersöhnchen!«
»Eingebildete, selbstgerechte Harpyie.«
»Ich bin so was von fertig mit dir«, stieß ich durch meine zusammengebissenen Zähne hervor.
»Ich glaube, ich habe keine Lust mehr, alles auf deine Weise zu machen«, sagte Raphael gelassen. »Erwarte nicht, dass ich mich widerspruchslos davonschleiche, nur weil du es mir gesagt hast.«
Meine Stimme hätte Stahl schneiden können. »Wenn du es nicht tust, werde ich dich erschießen.«
Er zeigte mir seine Zähne. »Dann solltest du gut zielen. Zu mehr als einem Schuss wirst du keine Gelegenheit haben.«
Diese Herausforderung brannte sich durch meinen letzten Verteidigungsring. Mein anderes Ich platzte aus meinem menschlichen Körper hervor, ein Durcheinander aus Fell und Klauen, das Wut ausatmete. Ich schnappte mit meinen Monsterzähnen nach ihm, und meine Tierstimme stieß ein raues Knurren aus. »Ich werde dir das Herz aus dem Leib schneiden. Du wirst den Tag bereuen, an dem du geboren wurdest. Von allen selbstsüchtigen, egoistischen Drecksäcken …«
»Trotzdem willst du mich«, sagte er grinsend. »Du kannst es gar nicht abwarten, wieder in mein Bett zu kriechen.«
»Werd erwachsen!«
»Sagst ausgerechnet du.«
Die Magie schlug wie eine gewaltige Flutwelle über uns zusammen. Wehre ergossen sich vom Türsturz und den Fenstern und bildeten schimmernde Vorhänge aus durchscheinendem Orange. In den Ecken des Raums leuchteten blaue Symbole auf.
Der Mond an der Wand öffnete mit metallischem Kreischen die Augen.
Ich sprang unter den Schreibtisch, und Raphael drückte sich unter den Waagschalen an die Wand.
»Boudas«, sagte der Mond mit Anapas amüsierter Stimme. »Wie vorhersehbar. Sie konnten der Versuchung einfach nicht widerstehen, hier ein bisschen herumzuschnüffeln, wie?«
Scheiße! Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Raphael riss einen Vorhang vom Fenster und warf ihn über den Mond.
»Das wird Ihnen nicht helfen«, sagte Anapa. »Gehen Sie nicht. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Ich stürmte unter dem Schreibtisch hervor und schlug gegen das Wehr am nächsten Fenster. Schmerz schoss durch meinen Körper. Ich blinzelte, und Raphael sammelte mich vom Boden auf. Meine Zähne klapperten in meinem Schädel.
»Nein, nein«, sagte der Anapa-Mond. »Ich habe gesagt, Sie sollen noch bleiben.«
Raphael warf sich gegen das Fensterwehr. Seine Widerstandskraft gegen magische Wehre war deutlich größer als meine. Der Verteidigungszauber packte ihn, rötliche Blitze peitschten seinen Körper. Er zuckte, erstarrte und verdrehte die Augen.
Ich griff nach ihm und zog ihn zurück. Die Blitze streiften mich, und fast wäre ich erneut weggetreten. Wir stürzten zu Boden.
»Fee-fi-fo-fum«, sang der Mond, »ich rieche Hyänenmenschenfleisch, und ich komme die Treppe hinauf!«
Raphael öffnete die Augen. Er sprang auf und blickte sich um.
Wenn wir durch den Fußboden brachen, würden wir genau in die Arme seiner Wachleute fallen. Der Weg durch die Decke war unsere beste Option.
»Heb mich hoch!«, rief ich.
Er packte mich und stieß mich nach oben. Ich schlug gegen die Decke und legte meine ganze Kraft in den Hieb. Die Verkleidung zerbrach unter meiner Faust, dann schlug ich gegen den darunter verborgenen Holzbalken.
»Was haben Sie beide vor?«, fragte sich der Mond.
Ich rammte immer wieder die Faust in die Decke und erweiterte das Loch. Das Holz knackte, dann brach es unter meinem Trommelfeuer. Ich riss den gelockerten Teil des Balkens heraus, warf ihn zur Seite und schlug dann in Dunkelheit. Sie riss auf, und der Nachthimmel zwinkerte mir durch die schmale Lücke zu. Kein Dachboden. Wir konnten unmittelbar aufs Dach
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