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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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sie auf dem Boden liegen, aber sie gehorchten mir nicht.
    Raphael verpasste dem Wesen einen kräftigen Fußtritt gegen die Rippen.
    Die Missgeburt fuhr zu ihm herum, und die Mähne sprühte Funken.
    Raphael rannte.
    Das Geschöpf brüllte, und es klang schrecklich und nicht von dieser Welt. Blut von den Schnitten, die ich ihm zugefügt hatte, tropfte ihm in die Augen und machte es halb blind. Es hob die Schnauze, witterte und setzte Raphael nach.
    Ich musste irgendwie aufstehen. Ich musste mich hochziehen.
    Raphael rannte an der Wand entlang und sprang über die Trümmerhaufen hinweg. Die Kreatur verfolgte ihn und verringerte den Abstand mit gewaltigen Schritten. Der Boden zitterte unter dem Aufschlag ihrer Tatzen.
    Ich rollte mich herum, bis ich auf den Knien hockte, unbeholfen wie ein Betrunkener, und stemmte mich hoch.
    Die Mähne des Wesens strahlte in hellem orangefarbenem Licht.
    »Magie!«, schrie ich.
    Raphael blickte sich um.
    Das Leuchten der Mähne konzentrierte sich und löste sich in zwei Blitzen aus grellem Licht von der Bestie. Raphael lief im Zickzack, aber es war zu spät. Der linke Blitz erwischte seinen Fußknöchel und zersplitterte in viele kleine Gabeln, die sich in Raphaels Fleisch gruben. Er wurde von den Beinen gerissen.
    Die Welt blieb stehen. Ich konnte nur noch Raphaels schmerzverzerrtes Gesicht sehen. Angst packte mich und trieb mich zu einem verzweifelten Sprint an.
    Eine Sekunde lang schien er schwerelos einen halben Meter über dem Boden zu schweben, dann krachte er auf den Boden und rollte durch den Dreck.
    Bitte stirb nicht! Bitte, bitte stirb nicht!
    Zwischen mir und der Bestie lagen fünfzig Meter. Es fühlte sich an, als würde ich eine Ewigkeit rennen, in irgendeiner seltsamen Hölle gefangen, während ich zusah, wie der Mann, den ich liebte, in Zeitlupe starb.
    Die Bestie schnaubte in grausamer Vorfreude.
    Ich bin gleich bei dir, Liebling. Halt noch eine halbe Sekunde lang durch.
    Die riesigen Kiefer waren weit geöffnet, die Zähne bereit zuzuschlagen.
    Ich krachte von der Seite gegen die Bestie und trieb meine Krallen von unten in ihren Bauch. Ich spürte feuchtes Blut. Meine Finger glitten durch schlüpfrige Innereien. Ich packte sie und riss daran.
    Die Bestie fuhr herum und versuchte, mich zu beißen. Ich grub meine Krallen tief in die Wunde und ließ nicht locker. Ein orangefarbener Blitz traf mich, ein Stich aus Feuer und Eis. Das Mondlicht verblasste.
    Raphael erhob sich auf der anderen Seite der Bestie und schlug mit seinen Klauen auf sie ein. Er lebte. Vor Erleichterung hätte ich fast geweint.
    Die Magie versetzte uns einen weiteren Stromschlag.
    Es tat verdammt weh!
    Aber die Magie würde uns nicht töten. Sie tat nur weh.
    Sehr weh.
    Raphael und ich starrten einander über den Rücken der Bestie hinweg an. Unsere Blicke waren durch den Nebel aus Schmerz verschleiert, aber wir lachten. Unser unheimliches Hyänenlachen hallte durch die Ruine.
    Die Bestie wollte das Schmerzspiel mit zwei Boudas gleichzeitig spielen. Aber sie hatte keine Chance.
    Wir zerfleischten sie.
    Die Bestie schlug mit den Hinterbeinen nach uns und schleuderte magische Blitze, aber wir krallten uns immer tiefer in ihre Eingeweide. Wir ließen nicht locker und lachten trotz der Schmerzen. Ich schmeckte Blut im Mund und kämpfte noch heftiger, grub mich durch den Bauch der Bestie, riss Innereien und Knochen heraus. Wir arbeiteten, traten kurz weg und kamen wieder zu uns, während wir mit Blut und feuchten Gedärmen um uns warfen.
    Die Bestie erzitterte.
    Wir zerrissen sie weiter. Es ging um Leben oder Tod – sie oder wir.
    Das Wesen wankte, neigte sich zur Seite und krachte zu Boden.
    Ich blickte schwer atmend auf. Raphael stand mir gegenüber. Blutbesudelt. Seine muskulöse behaarte Brust hob und senkte sich. Zwischen uns lag mit offenem, leerem Brustkorb die Bestie. Wir hatten den Kadaver fast vollständig ausgeweidet. Sie hätte schon viel früher sterben müssen, aber offenbar hatte die Magie sie am Leben erhalten.
    Ich sank zu Boden. Ich war voller Blut, teils von der Bestie, teils von mir. Ich hatte lange Kratzer an der Seite und am rechten Bein, wo die Krallen der Bestie mich erwischt hatten. Die Wunden brannten. Wäre ich ein Mensch gewesen, hätte ich mit mindestens hundert Stichen genäht werden müssen.
    Wir hatten die Kreatur besiegt. Irgendwie hatten wir es geschafft, und wir beide hatten überlebt. Es war fast ein Wunder. Ich fühlte mich todmüde. Der Boden sah sehr verlockend aus.

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