Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
unvermeidlichen Floskeln flüchte ich in den kleinen Garten, der von hohen, braunen H äuserwänden umschlossen ist. Penelopes tägliches »Bewegungsmuster«, wie es der Ausbilder bei meinen Eintagesschulungen genannt hätte, stand mir deutlich vor Augen. Nach dem heißen Wochenende mit Thorne legt sie zur schnellen Generalüberholung einen Boxenstop in den Norfolk Mansions ein, bevor sie in die Welt hinausgeht, um sich den Herausforderungen der neuen Woche zu stellen. Dann wird telefoniert, und zwar aus dem Taxi, das ihr die Redaktion bezahlt. Wie alle guten Journalisten weiß auch sie, daß der erste Satz sitzen muß.
    Du kannst mich auch mal, Darling, wei ßt du das? Hättest du noch eine Woche gewartet, hätte ich dir die Mühe erspart! Ich frag dich jetzt nicht, wo du das Wochenende verbracht hast, nachdem du mich vor Sir Matthew zur Lachnummer gemacht hast. Ich hoffe bloß, die Kleine ist es wert, Salvo. Oder müßte das der Kleine heißen? Fergus sagt, er traut sich nicht mal alleine mit dir aufs Männerklo …
    Ich kehrte wieder in unser Zimmer zur ück. Hannah lag da wie zuvor, das Laken in der Sommerhitze wie auf einem Aktgemälde über eine Brust und zwischen die Schenkel gerafft.
    »Wo warst du?«
    »Im Garten. Mich scheiden lassen.«
     

15
    Hannah hatte es mir auf ihre resolute Art ausgeredet, die Kassetten und Stenobl öcke gleich zu den Brinkleys mitzunehmen. Da sie aber genauso fest entschlossen war, mich zu begleiten und vor dem Haus zu warten, bis ich wieder herauskam, hatten wir uns auf einen Kompromiß geeinigt. Sie würde sich mit meinem Diebesgut in ein Café irgendwo in der Nähe setzen, bis ich sie zu gegebener Zeit mit dem Handy anrief, woraufhin sie die Sachen unauffällig an der Haustür abstellen, sich wieder in das Café begeben und dort auf mich warten sollte.
    Als wir am Montag nachmittag Mr. Hakims Reich verlie ßen und, größtmögliche Umsicht an den Tag legend, zu Fuß zur Bushaltestelle gingen, um zur U-Bahnstation Finchley Road zu fahren, war es bereits fünf Uhr. Um sechs standen wir vor der Residenz in Knightsbridge und spähten von der anderen Straßenseite zu der elegant geschwungenen Häuserfront hinüber. Um zwanzig nach nahm Hannah nervös an einem Fenstertisch im Café Platz. Unterwegs hatte sie einiges an Selbstvertrauen eingebüßt, im Gegensatz zu mir, der ich immer optimistischer geworden war.
    »Nur noch ein paar Stunden, dann sind wir unsere Sorgen los«, versicherte ich ihr, während ich ihr zur Beruhigung den Rücken massierte. Sie sagte, sie würde für mich beten.
    Bei meinem Anmarsch auf das Zielobjekt sah ich mich vor die Wahl zwischen zwei Treppen gestellt: hinunter zum Dienstboteneingang oder hinauf zu dem s äulengeschmückten Portal mit dem altmodischen Klingelzug. Ich entschied mich für letzteres. Die Tür wurde von einer rundgesichtigen Latina geöffnet, die eine schwarze Hausmädchentracht trug, komplett mit weißem Kragen und Schürzchen.
    »Ich hätte gern Lord Brinkley gesprochen«, sagte ich im gebieterischen Ton meiner anspruchsvolleren Kunden.
    »Er sein in Büro.«
    »Und Lady Kitty?«, fragte ich, während ich mit der einen Hand die Tür aufhielt und mit der anderen Brian Sinclairs Visitenkarte zückte. Unter meinen Decknamen hatte ich Bruno Salvador geschrieben. Und auf die Rückseite das Wort Syndikatsdolmetscher .
    »Da bleiben«, befahl das Hausmädchen, und diesmal gelang es ihr tatsächlich, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Nur Sekunden später wurde sie von Lady Kitty höchstpersönlich wieder geöffnet.
    Sie war die typische alterslose Dame der HighSociety: kurzer Rock, Gucci-G ürtel, glattes aschblondes Haar. Zwischen ihrem üppigen und überaus erlesenen Armschmuck bemerkte ich eine winzige Cartier-Uhr in zwei verschiedenen Goldtönen. Die seidenweißen Beine mündeten in italienische Schuhe von makelloser Eleganz. Die blauen Augen waren geweitet wie vom Abglanz einer fernen Schreckensvision.
    »Sie wollen zu Brinkley«, teilte sie mir mit, während ihr Blick hurtig zwischen meiner Karte und meinem Gesicht hin und her huschte, als wollte sie mein Portr ät zeichnen.
    »Ich habe über das Wochenende einen ziemlich wichtigen Auftrag für ihn erledigt«, erklärte ich und hielt dann inne, unsicher, bis zu welchem Grade sie eingeweiht war.
    »Dieses Wochenende?«
    »Ich muß ihn sprechen. Es ist persönlich.«
    »Hätten Sie nicht anrufen können?« fragte sie, ihre Augen noch runder als zuvor.
    »Leider nicht.« Ich besann mich

Weitere Kostenlose Bücher