Geheime Melodie
Fläschchen, das sie aus der Blusentasche nahm, etwas in den Mund und war wie ein schuldbewußtes Schulmädchen mit zwei langen, leisen Schritten an der Tür zum großen Salon.
»Er heißt Bruno«, verkündete sie den herannahenden Schritten mit munterer Stimme. »Er kennt Maxie und Philip und behauptet das Gegenteil, er ist mit einer schwer schuftenden Frau verheiratet und wünscht sich Kinder, aber noch nicht gleich, und er hat einen Kassettenrecorder, für den Fall, daß wir keinen besitzen.«
* * *
Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Lady Kitty hatte sich hinausbegeben, ihr Mann stand vor mir. Er trug einen marineblauen Nadelstreifenanzug, der Zweireiher tailliert, wie der neueste Drei ßigerjahretrend es verlangte. Keine hundert Meter weiter wartete Hannah auf mein Zeichen. Wenn alles nach Plan ging, würde ich Jack Brinkley in wenigen Minuten den Beweis vorlegen können, daß er unwissentlich im Begriff stand, all das, was er im Laufe der Jahre für Afrika geleistet hatte, zunichte zu machen. Er blickte sich einmal prüfend im Zimmer um, dann sah er wieder mich an.
»Ist das Ihre?« Er hielt meine Visitenkarte an der äußersten Ecke hoch, als ob sie tropfnaß wäre.
»Ja, Sir.«
»Und Sie sind Mister wer genau?«
»Sinclair, Sir. Aber nur offiziell. Sinclair war mein Deckname für das Wochenende. Sie werden mich besser unter meinem richtigen Namen kennen, Bruno Salvador. Wir haben miteinander korrespondiert.«
Ich hatte beschlossen, seine Weihnachtskarten nicht zu erw ähnen, da sie nicht persönlich gehalten waren, aber an meinen Unterstützerbrief würde er sich bestimmt erinnern – eine Vermutung, mit der ich offenbar richtig lag, denn er hob den Kopf, und da er ein hochgewachsener Mann war, machte er es wie ein Richter hinterm Richtertisch: spähte über seine Hornbrille hinweg auf mich hinunter, um zu sehen, wen er da vor sich hatte.
»Wollen wir Sie erst mal von diesem Ding befreien, Salvador?« schlug er vor. Und er nahm mir den Recor der ab, vergewisserte sich, da ß er keine Kassette enthielt, und gab ihn mir wieder zurück, was für mich schon fast einem Handschlag gleichkam.
Dann sperrte er den bauchigen Schreibtisch auf und lie ß sich seitlich daran nieder. Er studierte seinen Brief an mich mit dem handschriftlichen PS, in dem er der Hoffnung Ausdruck verlieh, mich eines Tages persönlich kennenzulernen, und es – da er damals Unterhausabgeordneter war – einen Jammer nannte, daß ich nicht in seinem Wahlkreis wohnte, garniert mit zwei Ausrufezeichen, über die ich jedesmal schmunzeln mußte. Seiner aufgeschlossenen Miene nach zu urteilen, hätte es auch ein an ihn selbst gerichtetes Schreiben sein können, und zwar eines, über das er sich freute. Als er fertig war, lächelte er immer noch, aber er legte den Brief vor sich auf den Schreibtisch, wie um bei Bedarf noch einmal hineinschauen zu können.
»Also dann, Salvador. Was haben Sie denn nun für ein Problem?«
»Eigentlich haben Sie das Problem, wenn ich so sagen darf. Ich war nur der Dolmetscher.«
»Ach, ja? Und was haben Sie gedolmetscht?«
»Eigentlich alles, was anlag, Sir. Maxie natürlich. Er beherrscht im Grunde gar keine Sprachen. Außer Englisch eben. Philip spricht nicht viel Swahili. Also stand ich gewissermaßen im Kreuzfeuer. Mußte mit allen Sprachen gleichzeitig jonglieren. Über und unter Wasser.«
Ich l ächelte bescheiden. Vielleicht hatten ihn in der Zwischenzeit ja doch erste Berichte über die alles in allem nicht unerheblichen Leistungen erreicht, die ich f ür ihn erbracht hatte, ob ich nun zum Schluß auf der falschen Seite gelandet war oder nicht. Und wie es dazu gekommen war, das mußte ich ihm erklären, um mich vor ihm zu rehabilitieren.
»Über und unter W a s s e r ?«
»Den Ausdruck hat ursprünglich Maxie geprägt, nicht ich, Sir. Für mich und meine Arbeit im Heizungskeller. Wo ich die Gespräche der Delegierten abgehört habe, während der Pausen. Maxie hatte einen Mann, der Spider hieß.« Ich hielt abwartend inne, aber anscheinend sagte ihm der Name nichts. »Spider war ein Abhörprofi. Er hatte einen ganzen Haufen antiquierter Geräte, die er auf den letzten Drücker zusammengebastelt hatte. Eine Art Do-it-yourself-Ausrüstung. Aber davon wußten Sie vermutlich auch nichts.«
»Wovon genau?«
Ich fing noch einmal von vorn an. Es half nichts, ich mu ßte meine Karten auf den Tisch legen. Die Sache war noch schlimmer, als ich befürchtet hatte. Philip hatte ihn allenfalls in
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