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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Anderson.«
    »Vom ersten Tag an habe ich die Hand über Sie gehalten. Nicht nur im Chatroom, auch außerhalb gab es Leute, die dagegen waren, Sie zu verpflichten, Ihre Talente hin oder her.«
    »Ich weiß.«
    »Manche waren der Meinung, Sie seien zu leicht zu beeinflussen. Angefangen bei den Leuten von der Sicherheitsüberprüfung. Viel zu weichherzig, hieß es. Nicht manipulativ genug. An Ihrer alten Schule hielt man es für möglich, daß Sie sich zum Rebellen entwickeln. Und dann die Frage Ihrer persönlichen Neigungen, die ich hier nicht weiter vertiefen möchte.«
    »An der Front ist inzwischen alles geklärt.«
    »Ich habe zu Ihnen gestanden, durch dick und dünn. Ich habe mich für Sie in die Bresche geworfen. Jederzeit und ohne zu zaudern. ›Salvo ist der Beste‹, habe ich ihnen gesagt. ›Es gibt in unserer ganzen Branche keinen besseren Linguisten, solange er nicht den Kopf verliert, und den verliert er nicht, dafür sorge ich schon.‹«
    »Das ist mir klar, Mr. Anderson. Das weiß ich zu schätzen.«
    »Sie wollen doch eines Tages Kinder haben, nicht wahr? Das haben Sie mir selbst gesagt.«
    »Ja.«
    »Kinder zu haben ist nicht immer eitel Sonnenschein, durchaus nicht. Aber man liebt sie trotzdem, auch wenn sie einen noch so enttäuschen. Man hält zu ihnen, und genau das versuche ich auch bei Ihnen. Ist Ihnen inzwischen wieder eingefallen, wo sich die Bänder befinden?«
    Um nicht etwa aus Versehen mehr zu sagen, als ich wollte, zupfte ich nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger an meiner Unterlippe.
    »Mr. Anderson, die Operation muß abgeblasen werden«, sagte ich schließlich.
    Worauf er den silbernen Drehbleistift mit beiden H änden vom Tisch nahm, eine Zeitlang stumm Zwiesprache mit ihm hielt und ihn zuletzt wieder in der Brusttasche versenkte. Aber seine Hand blieb in der Jacke, so wie bei Maxie in seiner Napoleonpose.
    »Und das ist endgültig, ja? Das ist Ihr letztes Wort in dieser Angelegenheit. Kein Dankeschön, keine Entschuldigung, keine Kassetten oder Stenoblöcke. Nur: ›Die Operation muß abgeblasen werden.‹«
    »Ich gebe Ihnen die Kassetten und Blöcke. Aber erst, wenn Sie die Operation abgeblasen haben.«
    »Und wenn ich es nicht tue? Wenn ich weder die Neigung noch die Macht habe, sie abzublasen?«
    »Dann übergebe ich sie jemand anderem.«
    »Ach ja? Und wem?«
    Der Name Haj lag mir auf der Zunge, aber ich beherrschte mich.
    »Meinem Unterhausabgeordneten zum Beispiel«, antwortete ich, womit ich nur verächtliches Schweigen erntete.
    »Was wäre denn nun Ihrer ehrlichen Meinung nach dadurch gewonnen, daß man die Operation ›abbläst‹, wie Sie es formulieren?« hakte er nach einer Weile nach.
    »Frieden, Mr. Anderson. Ein gottgefälliger Frieden.«
    Da ß ich mich so hoffnungsvoll auf Gott berief, schien in ihm den richtigen Nerv getroffen zu haben, denn ein Ausdruck tiefster Frömmigkeit breitete sich auf seinen grobschlächtigen Zügen aus.
    »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, es könnte Gottes Wille sein, daß die rapide zu Ende gehenden Rohstoffvorkommen der Welt besser bei zivilisierten, kultivierten Christenmenschen aufgehoben sind als in den H änden von Heiden, deren Rückständigkeit auf Erden ihresgleichen sucht?«
    »Ich bin mir nur nicht sicher, wer hier die Heiden sind, Mr. Anderson.«
    »Aber ich«, erwiderte er und stand auf. Dabei kam die Hand wieder aus der Jacke zum Vorschein, darin ein Handy. Offenbar hatte er es während der Chorprobe ausschalten müssen, denn sein dicker Daumen krümmte sich noch um den oberen Teil, während er daraufwartete, daß er ein Netz bekam. Sein schwerer Körper schob sich nach links, vermutlich, um mir den Weg zur Tür zu versperren. Also machte ich ebenfalls einen Schritt nach links, jedoch nicht, ohne unterwegs mein J’accuse! wieder an mich zu nehmen.
    »Ich werde jetzt einen sehr speziellen Anruf tätigen, Salvo.«
    »Das weiß ich, Mr. Anderson. Es wäre mir lieber, Sie würden es nicht tun.«
    »Dieser Anruf wird Erschütterungen auslösen, die sich Ihrer und auch meiner Kontrolle entziehen. Ich möchte Sie bitten, mir hier und jetzt einen Grund zu nennen, warum er unterbleiben sollte.«
    »Es gibt Millionen Gründe, Mr. Anderson. Überall in Kivu. Der Coup ist ein krimineller Akt.«
    »Ein Schurkenstaat, Salvo – ein Staat, der nicht fähig ist, für geordnete Lebensverhältnisse zu sorgen, ein Staat, der in großem Maßstab Völkermord, Kannibalismus und Schlimmeres begeht, hat meiner wohlüberlegten Meinung nach«

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