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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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denn so geworden, wie Sie es sich vorgestellt haben?«

    Sie überlegt. »Ja und nein. Das ist schwer zu erklären.« Sie seufzt. »Bevor ich angefangen habe, als alles nur in meinem Kopf existierte, schien das Projekt ein unbegrenztes Potenzial zu haben. Jetzt, wo es auf Film gebannt ist, habe ich das Gefühl, dass es an allen Ecken und Enden von Einschränkungen begrenzt wird.«
    »Ich fürchte, so ist es bei allem, was man unternimmt.«
    Sie nickt. »Aber ich fühle mich den Hartford-Schwestern so verpflichtet, ihrer Geschichte. Ich wollte alles perfekt machen.«
    »Nichts ist perfekt.«
    »Nein.« Sie lächelt. »Manchmal denke ich, ich bin gar nicht dafür geeignet, diese Geschichte zu erzählen. Was ist, wenn ich es nicht richtig hinkriege? Was weiß ich denn schon?«
    »Lytton Strachey hat mal gesagt, Unwissenheit sei die beste Voraussetzung für einen Historiker.«
    Sie runzelt die Stirn.
    »Unwissenheit schafft Klarheit«, sage ich. »Sie wählt aus und lässt weg, ohne die Ruhe zu verlieren.«
    »Zu viel Wahrheit ruiniert eine gute Geschichte – ist es das, was Sie sagen wollen?«
    »So ungefähr.«
    »Aber Wahrheit ist doch das Wichtigste, oder? Vor allem bei einer biografischen Geschichte.«
    »Was ist schon Wahrheit?«, frage ich, und ich würde die Achseln zucken, wenn ich die Kraft dazu hätte.
    »Das, was sich wirklich zugetragen hat.« Sie sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Das müssten doch gerade Sie wissen. Immerhin haben Sie jahrelang in der Vergangenheit gegraben. Auf der Suche nach der Wahrheit.«
    »Stimmt. Aber ich frage mich, ob ich sie je gefunden habe.« Ich rutsche an meinen Kissen hinunter. Ursula bemerkt
es, packt mich vorsichtig unter den Achseln und zieht mich wieder ein Stück hoch. Bevor sie mich in weitere Diskussionen über Semantik verwickeln kann, fahre ich fort: »Ich wollte mal Detektiv werden. Als ich noch jung war.«
    »Wirklich? Bei der Polizei? Und warum sind Sie es nicht geworden?«
    »Polizisten machen mich nervös.«
    Sie grinst. »Das wäre natürlich ein Problem gewesen. «
    »Stattdessen bin ich Archäologin geworden. Der Unterschied ist gar nicht so groß, wenn man es genau betrachtet. «
    »Die Opfer sind nur schon länger tot.«
    »Ja«, sage ich. »Agatha Christie hat mich auf die Idee gebracht. Das heißt, eine ihrer Figuren. Ein Mann. Er hat zu Hercule Poirot gesagt: ›Sie hätten einen guten Archäologen abgegeben, Monsieur Poirot. Sie besitzen die Gabe, die Vergangenheit neu zu erfinden.‹ Ich habe das Buch während des Krieges gelesen. Während des Zweiten Weltkriegs. Eigentlich hatte ich längst aufgehört, Kriminalromane zu lesen, aber eine der anderen Feldschwestern hatte das Buch dabei, und alte Gewohnheiten sind hartnäckig.«
    Sie lächelt, dann fährt sie plötzlich hoch. »Oh! Da fällt mir ein, ich habe Ihnen etwas mitgebracht.« Sie beugt sich zu ihrer Tasche hinunter und zieht eine kleine, rechteckige Schachtel heraus.
    Sie hat die Größe eines Buchs, aber etwas darin rappelt. »Ein Hörbuch«, sagt sie. »Agatha Christie.« Verlegen hebt sie die Schultern. »Ich wusste ja nicht, dass Sie sich gar nicht mehr für Krimis interessieren.«
    »Nein, nein, das war nur ein vorübergehendes Desinteresse, ein vergeblicher Versuch, mein jugendliches Ich
abzuschütteln. Nach dem Krieg habe ich wieder angefangen, Krimis zu lesen.«
    Sie zeigt auf den Walkman auf meinem Nachttisch. »Soll ich die Kassette für Sie einlegen, bevor ich gehe?«
    »Ja«, sage ich. »Bitte.«
    Sie reißt die Plastikverpackung auf, nimmt die erste Kassette heraus und öffnet meinen Walkman. »Hier liegt schon eine drin.« Sie hält sie hoch, damit ich sie sehen kann. Es ist die Kassette, die ich gerade für Marcus bespreche. »Ist das für ihn? Für Ihren Enkel?«
    Ich nicke. »Legen Sie sie einfach auf den Tisch, bitte. Ich brauche sie später wieder.« Das stimmt. Die Zeit läuft mir davon, ich spüre es. Und ich will meine Geschichte unbedingt zu Ende erzählen, ehe es so weit ist.
    »Haben Sie inzwischen von ihm gehört?«, fragt sie.
    »Nein, noch nicht.«
    »Er wird sich melden«, sagt sie bestimmt. »Da bin ich mir ganz sicher.«
    Ich bin zu müde, um es zu glauben, aber ich nicke trotzdem, weil sie so fest davon überzeugt ist.
    Sie schiebt Agatha in den Walkman und legt das Gerät wieder zurück auf meinen Nachttisch. »So.« Sie hängt sich ihre Tasche über die Schulter. Sie wird sich gleich verabschieden.
    Ich greife nach ihrer Hand, als sie sich

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