Geheimes Verlangen
weg bin – oder etwa nicht? Ich weiß doch, dass du dir das manchmal wünschst.«
»Nein. Du bist dumm, du verstehst gar nichts. Ich möchte, dass du bleibst, und ich möchte, dass du gehst.«
»… du bist so widersprüchlich wie ein junges Mädchen.«
»Nein. Ich bin schwach wie ein Mann.«
Sie fährt sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen; die Karten hat sie noch nicht wieder neu gelegt. Seine Hände schieben sich über ihre Rippen, legen sich auf ihre Brüste. Ihre Nippel sind hart, so viel hat er schon erreicht. Sie spürt, wie sein Schwanz sich an sie drängt, fest gegen ihre Pospalte drückt. Sie spürt plötzlich in ihrem ausgedörrten Rachen den bitteren Geschmack der Droge. Ihre Nase läuft, und sie schnieft lauter, als es sich eigentlich gehört. »Und was sonst noch?«, will sie wissen.
»Manchmal kann ich dich nicht ausstehen.« Er streichelt sie mit der gleichen Eleganz, mit der er die meisten Dinge tut. »Manchmal denke ich, ich würde dich am liebsten umbringen. Du langweilst mich, du ödest mich an, du wiederholst dich ständig. Du weißt oft gar nicht, was du sagst, und ich höre meist gar nicht zu. Dieses Haus hier ist für mich wie ein Gefängnis. Du bist eine Krankheit, die ich mir eingefangen habe und nicht mehr loswerde.«
»Wenn du willst, gebe ich dich sofort frei«, erinnert sie ihn. »Ich bin schließlich nicht deine Aufseherin. Du musst es nur sagen.«
»Da hast du es! Ich bin dir völlig egal. Aber zuerst bringst du mich so weit, dass ich dich unbedingt will – du hast mich völlig ruiniert. Wenn schon ein Wort genügt, damit du mich freigibst, kann es nicht weit her sein mit deiner Liebe.«
Die Karten in ihrer Hand sind ihr unangenehm. »Es scheint, als ob ich mich selbst weniger liebe als dich«, entgegnet sie. »Wenn du weg bist, bin ich nämlich ganz allein.«
Die Wirkung der Droge jagt ihm in immer neuen Wellen einen Schauer durch den Körper, die Gedanken fliegen ihm nur so zu. Er kommt sich wie ein begnadeter Schauspieler auf der Bühne vor. »Du sagst doch immer, dass du es gewohnt bist, allein zu sein. Also ist es völlig egal, ob ich da bin oder nicht. Wenn ich nicht hier bin, setzt du einfach dein gewohntes Leben fort. Das heißt, dass ich dir nichts bedeute, denn für deine Befindlichkeit spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich hier bin oder nicht. Also liebst du mich nicht, auch wenn du das Gegenteil behauptest.«
»Du liebst mich nicht«, sagt sie ruhig.
Er hält inne, stützt das Kinn auf ihre Schulter, denkt darüber nach. »Irgendwann«, sagt er nachdenklich, »habe ich geglaubt, dass ich das tue. Das war gottlob schnell wieder vorbei. Und ich bin froh, dass ich deinetwegen nichts Übereiltes getan habe. Ich hatte schon befürchtet, dass genau das passiert, es hat auch nicht viel gefehlt. Mein Gott bin ich froh, dass ich noch mal davongekommen bin. Ja, ich bin wirklich froh darüber, dass ich nicht alles, was mir kostbar ist, im Tausch gegen dich – eine Blutsaugerin – aufgegeben habe.«
»… ich habe dich nie darum gebeten, etwas aufzugeben. Ich habe dich überhaupt nie um etwas gebeten.«
»Aber das tust du doch ständig!« Er schüttelt sie. »Siehst du das denn nicht? Das tust du doch ständig! Du bittest um ein großes Stück von mir, forderst es geradezu ein! Und wenn ich es dir nicht geben will, dann schmollst du, dann heulst du und spielst die Verletzte. Ich sitze an meinem Schreibtisch und muss mich schämen und darüber nachdenken, was ich falsch gemacht habe. Dann muss ich noch zusätzlich Angst haben, dass du mich vielleicht verlässt, dass ich dich nie mehr in die Arme nehmen kann. Ich bedeute dir doch ohnehin nicht mehr als eins von diesen teuren Gegenständen, die du kaufst, weil du gerade Lust darauf hast, und die hinterher irgendwo herumliegen. Manchmal komme ich mir vor wie in einer Vitrine, weil du mich genauso anschaust wie diese Sachen: kalt und gleichgültig.«
Sie fährt sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen, leckt den sauren Geschmack ab. Gelegentlich fragt sie sich, ob es in ihrem Herzen überhaupt noch etwas zu zerbrechen, überhaupt noch einen Tropfen Blut zu vergießen gibt. »Ich muss dich ja hinter Glas stellen«, sagt sie, »weil ich dich beschädige, sobald ich dich berühre. Am liebsten würde ich dich jede Nacht mit in mein Bett nehmen, mich mit dir unter meinen Decken zusammenkuscheln, neben dir einschlafen. Aber das geht nicht, weil du nicht mir gehörst. Also wäre ich doch dumm, wenn ich mein
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