Geheimnis am Holunderweg
elektrische Licht an. Da es jedoch sehr trübe brannte, schob er die grünen Vorhänge zur Seite. Dabei fiel ihm ein, daß Marian sie am Tag des Diebstahls gewaschen und gebügelt hatte. Das hätte sie wohl kaum getan, wenn sie die Absicht gehabt hätte, das Geld zu stehlen und zu fliehen. Es wäre sinnlos gewesen. Ach, alles erschien Dicki auf einmal sinnlos!
In Gedanken versunken griff er nach einem Vorhang und rieb den Stoff zwischen den Fingern. Der Saum fühlte sich merkwürdig steif an. Er stutzte, befühlte den Saum weiter oben und dann an der unteren Kante. Darauf rieb er ihn wieder und hielt ihn ans Ohr. Er hörte ein leises Rascheln.
Plötzlich wurde Dicki furchtbar aufgeregt. „Ich habe das Geld gefunden, ich habe das Geld gefunden!” schrie er laut. Dann nahm er sein Taschenmesser und trennte den unteren Saum des Vorhangs ein wenig auf, so daß er zwei Finger hineinstecken konnte. Kurz darauf zog er vorsichtig einen ziemlich schmutzigen Geldschein heraus.
Marian hatte das Geld in die Vorhänge genäht – wahrscheinlich um es vor Wilfried zu verstecken! Sie befürchtete wohl, er könnte es stehlen, wenn sie nicht im Hause war. Vielleicht hatte er sogar etwas davon gesagt, und da war sie auf diesen wunderbaren Einfall gekommen.
Nun befühlte Dicki systematisch die Säume der Vorhange. Sie waren mit Banknoten vollgestopft. Er überlegte, ob er sie herausnehmen sollte, ließ es dann jedoch bleiben. Ein besseres Versteck für das Geld gab es gar nicht. Und wenn bis jetzt niemand darauf gekommen war, es dort zu suchen, würde jetzt auch keiner mehr darauf verfallen.
Für alle Fälle werde ich aber verhindern, daß jemand herkommt, dachte Dicki. Er ging aus dem Haus, schloß die Tür zu und steckte den Schlüssel in seine Tasche. Dann sagte er Monsieur Henri, daß er den Schlüssel vorläufig behalte, und bat ihn aufzupassen, ob jemand ins Holunderhaus ginge. Wilfried besaß sicherlich einen zweiten Schlüssel.
Es fiel Dicki schwer, seine Entdeckung für sich zu behalten, aber vorläufig durfte er keinem Menschen etwas davon erzählen. Der Fund des Geldes ließ plötzlich alles in einem neuen Licht erscheinen. Marian hatte es nicht gestohlen, sondern in den Vorhängen versteckt. Nicht einmal ihrem Großvater hatte sie das Versteck verraten, wohl aus Furcht, daß er sich Wilfried gegenüber verplappern könnte. Nachdem sie fortgegangen war, hatte er es an seinem alten Versteck gesucht, nicht gefunden und daher geglaubt, es wäre gestohlen worden.
Aber warum war Marian verschwunden? Steckte Wilfried dahinter? Gewiß war er es doch gewesen, der mit einem Kumpan zusammen die Möbel aus dem Haus geholt hatte. Vielleicht dachte er, das Geld steckte noch in einem der Polstermöbel.
Nun fügten sich die Teile des Puzzlespiels richtig zusammen. Wenn Dicki nur Marian finden könnte – oder wenigstens die Möbel! Ob sie sich noch in dem Lastwagen befanden? Nach Hause konnte Wilfried sie nicht gebracht haben, dadurch hätte er seine Familie mißtrauisch gemacht. Ja, sie waren sicherlich noch im Wagen.
Plötzlich schoß Dicki ein anderer Gedanke durch den Kopf. Vielleicht betrieben Wilfrieds Eltern ein Transportgeschäft. Dann besaßen sie natürlich Möbelwagen, und Wilfried konnte sich leicht mal unbemerkt einen ausleihen.
Aufgeregt lief Dicki nach Hause, um festzustellen, ob seine Vermutung stimmte. Wenn er sich beeilte, konnte er Herrn Grimm vielleicht noch überholen und das Geheimnis aufklären, bevor man Marian verhaftete.
Nächtliche Abenteuer
Sobald Dicki nach Hause kam, stürzte er sich auf das Telefonverzeichnis, das in der Diele lag, und begann hastig darin zu blättern. In Marlow wohnten viele Leute mit dem Namen König. Gespannt fuhr Dicki mit dem Zeigefinger die Reihe hinunter: Albert König, Alexander König, Berthold König, Dora König und so weiter. Aber er wurde enttäuscht; keiner von den „Königen” hatte ein Transportgeschäft. Er ging die Namen noch einmal langsamer durch: Albert König – Bäckerei, Alexander König, Berthold König – Schlächterei, Dora König, Eduard König – Reitställe, Heinrich König … Halt – Reitställe! Zu einem Reitstall gehörten Pferde, und Pferde wurden in besonderen Wagen transportiert, in die man auch Möbel packen konnte. Ja, das mußte der richtige König sein!
Dicki warf das Telefonverzeichnis auf die Erde und vollführte einen wilden Indianertanz. Purzel umsprang ihn kläffend. Er wußte, daß sein Herr sich über etwas freute, und so
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