Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
gegen einen Anfall von Panik ankämpfen. Noch eine Minute, dann würde er ihr den Rücken zukehren und für immer aus ihrem Leben verschwinden. Sie hatten schon einige neugierige Blicke auf sich gezogen. Sie sah Estelle, die sie von der anderen Seite des Ballsaales aus beobachtete – ihr Gesicht war fast so weiß wie ihr Kleid.
Was habe ich noch zu verlieren? , überlegte Cecily. Meinen guten Namen? Meinen Ruf? Die feine Gesellschaft wusste es nicht, aber sie war bereits für jeden anderen Mann passé.
Bevor Gabriel weggehen konnte, legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass es unhöflich ist, wenn ein Gentleman eine Dame stehen lässt, die gern tanzen möchte?«
Er schaute sie an, und seine Miene verriet sowohl Argwohn als auch Spott. »Niemand soll sagen können, dass Gabriel Fairchild einer Dame einen Wunsch abschlägt.«
Mit diesen vertrauten Worten schlang er einen Arm um ihre schlanke Taille und zog sie an sich. Als er sie in den Tanz führte, schloss Cecily die Augen, erkannte in diesem Moment, dass sie willens war, jedes Wagnis einzugehen, jeden Preis zu bezahlen, nur um wieder in seinen Armen zu liegen.
»Ich muss gestehen, dass es mich überrascht hat, Sie heute Abend hier zu sehen«, erklärte er, als sie über die verlassene Tanzfläche wirbelten und ihre Körper sich im perfekten Rhythmus wiegten. »Ich dachte, Sie seien inzwischen längst mit einem Landedelmann oder Gutsbesitzer verheiratet. Schließlich weiß ich, dass Sie an einem Mann Achtbarkeit mehr als alles andere schätzen.«
Sie lächelte, sodass ihre Grübchen erschienen. »So wie Sie Frauen mit der Eigenschaft, leicht verführbar zu sein?«
»Das ist eine Eigenschaft, durch die Sie sich mit Gewissheit nie ausgezeichnet haben«, entgegnete er und schaute über sie hinweg.
»Anders als die meisten Frauen, die Sie heute Nacht schon mit den Augen verschlingen. Soll ich beiseite treten und einer von ihnen meinen Platz in Ihren Armen überlassen?«
»Ihre Großzügigkeit ehrt Sie, aber ich fürchte, mir fehlt die Zeit für solche Abenteuer. Ich laufe morgen Nachmittag mit der Defiance aus.«
Cecily geriet aus dem Takt und stolperte. Hätte er seinen Griff nicht sogleich gefestigt, wäre sie am Ende sogar gestürzt. Ihre Füße zwingend, sich weiter zur Musik zu bewegen, blickte sie ungläubig zu ihm auf. »Sie gehen wieder zur See? Haben Sie völlig den Verstand verloren?«
»Ihre Sorge rührt mich, Miss March, wenngleich sie ein wenig spät kommt. Es gibt keinen Grund, sich wegen meines Schicksals den hübschen kleinen Kopf zu zerbrechen.«
»Aber das letzte Mal, als Sie gesegelt sind, sind Sie fast nicht wieder heimgekehrt! Sie wären beinahe gestorben! Es hat Sie Ihr Augenlicht gekostet, Ihre Gesundheit und Ihre …«
»Ich bin mir bestens bewusst, was es mich gekostet hat«, versetzte Gabriel leise. Während er ihr Gesicht musterte, schwand der letzte Rest von Spott aus seiner Miene.
Cecily wünschte sich sehnlichst, ihn zu berühren, seine vernarbte Wange zu streicheln. Aber die scharfkantigen Scherben gebrochener Versprechen und zerschellter Träume bedeckten den Boden zwischen ihnen, waren unüberwindbar.
Sie senkte den Blick auf seine Rockaufschläge. »Warum wollen Sie unbedingt erneut den Helden spielen? Nachdem Sie beinahe Ihr Leben im Kampf für König und Vaterland geopfert haben, sollte man meinen, Sie müssten niemandem mehr etwas beweisen.«
»Ihnen vielleicht nicht, aber jemand anderem.«
»Ah! Ich hätte mir denken können, dass eine Frau dahintersteckt.« Obwohl sie wusste, sie konnte kaum von ihm erwarten, dass er sich den Rest seines Lebens nach einer Frau verzehrte, die es nie gegeben hatte, spürte sie dennoch Eifersucht in sich aufsteigen, bitterer als Galle. Es tat weh, ihn sich mit einer anderen Frau vorzustellen, in ihren Armen, in ihrem Bett, wie er all die unglaublich zärtlichen, schlimmen Dinge tat, die er mit ihr angestellt hatte. »Sie waren immer schon willens, für die Liebe jedes Opfer zu bringen, nicht wahr?«
Die Musik verklang, ließ sie unbeholfen in der Mitte der Tanzfläche stehen. Cecily entgingen die neugierigen Blicke und das verwunderte Geraune der Umstehenden nicht.
Diesmal war nur Mitleid in Gabriels Augen zu lesen. »Ich wusste noch nicht einmal, was Liebe ist, bis ich meine Samantha getroffen – und wieder verloren – habe. Verzeihen Sie bitte, wenn ich es so unverblümt sage, Miss March, aber Sie sind es nicht wert, ihr die Stiefel zu
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