Geheimnis des Verlangens
hatte.
Beinahe kriegerisch fuhr sie fort: »Ich sollte für mein Bleiben bezahlt werden, mit der Taverne. Ich wollte diese Taverne mehr als irgend etwas sonst auf der Welt. Sie hätte meine Sicherheit garantiert, meine Freiheit. Ich wäre endlich mein eigener Herr gewesen.«
»Ja, Stefan sieht ein, dass er einen Fehler gemacht hat, als er die Taverne kaufte. Es wäre viel einfacher gewesen und billiger, wenn er sie einfach niedergebrannt hätte. Ihr hättet nichts davon erfahren und ihn nicht dafür verantwortlich gemacht. Aber dann hätte Euer Mr. Dobbs nicht das Auskommen, das ihn für den Rest seiner Tage glücklich machen wird. Und Stefan wollte nicht, dass Ihr Euch um diesen Mann sorgen müßt — falls Ihr irgendwelche Gefühle für ihn hegt.«
»Ihr kennt Stefan sehr gut, nicht wahr, Sascha?«
»So gut, wie irgendein Mann ihn kennen kann.«
»Ist er immer so uneins mit seinen eigenen Gefühlen?« fragte sie zögernd. Der kleine Mann lachte.
»Das habt Ihr sehr gut ausgedrückt, Eure Hoheit. Und nein, er ist nicht immer so. Für gewöhnlich sind seine Gefühle vollkommen eindeutig, ob sie nun gut sind oder schlecht. Er mag keine Zweifel und keine widerstreitenden Gefühle. Und im allgemeinen hat er keine. Und er hält sich von allem fern, was sein Gleichgewicht stören könnte.«
»Wie ich zum Beispiel«, schlussfolgerte sie laut. »Ist das der Grund, warum er mir aus dem Weg geht?«
»Er geht Euch aus dem Weg, weil Ihr ihn darum gebeten habt — und weil Ihr zwei nicht zusammenkommen könnt, ohne zu streiten. Habt Ihr eine Ahnung, warum das so ist?«
»Das fragt Ihr mich, wo er derjenige ist, der immer gleich die Geduld verliert?« schnaubte sie.
»Er hat ein ungeduldiges Temperament, ja. Aber die Umstände haben ihn gelehrt, wie er es unter Kontrolle halten kann.«
»Sascha, wißt Ihr eigentlich, wie er es unter Kontrolle hält? Was er tut oder tun will, wenn er so leidenschaftlich wütend ist?«
Ihre wachsende Entrüstung belustigte ihn. »Ja. Und es war sein Vater, der es ihm vorgeschlagen hat. Wenn Stefan in jüngeren Jahren wütend genug war, um Streit zu suchen, hat er dabei unausweichlich jemanden verletzt. Die anderen konnten nicht zurückschlagen, versteht Ihr? Weil er ihr Prinz war, und nicht* nur irgendein Prinz, sondern der Kronprinz. Er musste also ein anderes Ventil für seinen Ärger finden. Irgend etwas, bei dem niemand zu Schaden kommen konnte. Er wandte sich also an die augenblickliche ... na ja, ich denke, Ihr versteht schon, was ich meine.«
»Soviel hatte ich auch schon herausgefunden, aber ich bin nicht seine augenblickliche Mätresse.«
»Nein, aber Ihr steht ihm näher, als irgendeine Mätresse es je könnte. Ihr seid ihm durch ein königliches Dekret versprochen, das genauso bindend ist wie jede Ehe. In seinen Augen, Prinzessin, seid Ihr bereits seine Frau. Es fehlt nur noch eine Zeremonie, die Euch dazu bringt, es zu glauben.«
Dies war nicht das erstemal, dass Sascha Stefan als König bezeichnete und nicht Vasili . Und seit Stefans seltsamem Geständnis vor ihrer Abreise sprachen nun tatsächlich auch alle anderen, einschließlich der Mannschaft und dem Kapitän, von Stefan als ihrem König. Vasili hatte sogar eines Tages festgestellt, dass er froh sei, seine ermüdende Rolle endlich losgeworden zu sein. Tanya hatte alle Mühe gehabt, ihr Gelächter zu unterdrücken, denn der Mann war genauso arrogant und gönnerhaft wie immer. Wenn er irgendwelche königlichen Qualitäten hatte vortäuschen müssen, konnte sie sich kaum vorstellen, welche das waren.
Die Cardinier hatten ihr einige höchst offiziell aussehende Dokumente gezeigt, das heißt, eigentlich hatten sie sie ihr regelrecht an den Kopf geworfen. Das war am Tag nach ihrer Äbreise gewesen, als sie mit einigen sarkastischen Bemerkungen verraten hatte, wie skeptisch sie Stefans Geständnis gegenüberstand. Die Papiere bewiesen eindeutig, dass Stefan Barany der neue König und Herrscher von Cardinia war. Jede Regierung hätte angesichts solcher Referenzen auf der Stelle den roten Teppich ausgerollt. Tanya dagegen hatte nur kühl darauf hingewiesen, dass die Dokumente ohne weiteres gestohlen oder gefälscht sein konnten, und drei Männer hatten sie mit gekränkter Entrüstung angestarrt. Eine Entrüstung, die sich, wenn auch in abgeschwächter Form, gut eine Woche lang hielt.
Aber nachdem sie darüber nachgedacht hatte, wirklich nachgedacht, begriff sie, wieviel leichter es war, Stefan für den König zu halten als
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