Geheimnis des Verlangens
Das mag ja auch so sein — bei Frauen ohne viel Verstand. Aber die meisten Frauen sind nicht dumm genug, um sich in einen Mann zu verlieben, ohne zu wissen, aus welchem Holz er gemacht ist. Vasili sieht unglaublich gut aus, ja. Das ist unbestreitbar. Aber er ist außerdem der arroganteste, herablassendste Mann, den Gott je geschaffen hat. Und Ihr werdet mir nicht weismachen, er habe sich nur meinetwegen verstellt und sei in Wirklichkeit gar nicht so abscheulich.«
Es gefiel ihm überhaupt nicht, was er da hörte, wahrscheinlich, weil er wusste , dass er ebenfalls arrogant und herablassend war. Er war jedoch keineswegs so schlimm wie Vasili . Aber Tanya rechnete fest darauf, dass er diesen feinen Unterschied nicht kannte. Es ging jetzt nur darum, Stefan nicht wissen zu lassen, dass sie ebenfalls zu den dummen Frauen gehörte, über die sie sich gerade eben lauthals ereifert hatte. Nicht, dass sie sich verliebt hätte. Um Himmels willen, sie hoffte doch, dass sie nicht so dumm wäre. Aber sie wusste recht gut, dass sie einer rein physischen Anziehungskraft erlegen war. Und diese Kraft war so gewaltig, dass sie den Mann sogar dann wollen konnte, wenn sie ihn vor Wut am liebsten erschossen hätte. Und auch die Zeit hatte diesem Gefühl keinen Abbruch getan. Sie wollte ihn — genug, um ihn zu heiraten, genug, um all seine Fehler ignorieren zu können. Aber er musste sie ganz genauso wollen ... Er musste sie lieben, ganz egal, ob sie ihn liebte oder nicht. Nur so konnte sie freiwillig einem Mann die Kontrolle über ihr Leben geben. Und ihr blieb nicht mehr viel Zeit herauszufinden, ob das überhaupt möglich war.
Aber bevor er sich zu viele Gedanken machen konnte über das, was sie gesagt hatte, fragte sie: »Als Ihr gesehen habt, dass Euer Täuschungsmanöver nicht funktionierte, warum habt Ihr mir da nicht die Wahrheit gesagt, dass Ihr Cardinias neuer König seid?«
»Ihr habt sowieso an allem gezweifelt. Daher war es nicht der richtige Zeitpunkt, eine Unwahrheit einzugestehen. Ihr hättet diese Tatsache liebend gern aufgegriffen, um Eure fortgesetzte Skepsis zu rechtfertigen.«
»Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt«, sagte sie und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. »Ihr habt allerdings nie begriffen, worum es mir ging, oder? Es war vollkommen egal, wen man mir als Ehemann anbot — ich wollte keinen.«
Er bemerkte gar nicht, dass sie in der Vergangenheit sprach, sondern erwiderte nur unerbittlich: »Ihr habt ebensowenig eine Wahl wie ich.«
»Ja, das stimmt wohl. Wie habt Ihr es noch einmal ausgedrückt, als Vasili zugab, er wolle mich nicht heiraten? Dass der König mich heiraten wird, egal ob er es wünscht oder nicht, weil seine Pflicht es von ihm verlangt. Aber wißt Ihr was, Stefan? Ich habe ein wenig über die Sache nachgedacht, ganz besonders, nachdem man mir immer wieder versichert hat, wie allmächtig Ihr doch wäret — so mächtig, hat man mir gesagt, dass Ihr mich zur Frau nehmen könnt, ganz egal, was ich dazu sage. Wenn Ihr soviel Macht habt, wie kann Euch dann irgend jemand dazu bringen, etwas zu tun, das Ihr gar nicht wollt? Ihr könntet das Verlöbnis doch einfach brechen ...«
»Zufällig respektiere ich meinen Vater«, unterbrach er sie steif, und in seinen Augen glühte plötzlich ernster Zorn. »Sandor will Euch auf dem Thron sehen, und daher werdet Ihr, zum Teufel noch mal, auf dem Thron zu sehen sein. Und wenn Ihr jemals wieder versucht, mich zu beschwatzen, meine Pflicht zu vernachlässigen ... Ich werde Euch heiraten, Tanya. Nichts wird das verhindern. Habt Ihr das verstanden? Nichts!«
Es war verblüffend, wie wunderbar sie sich nach diesem Versprechen fühlte, herausgeschrien oder nicht. Und sie hatte ihre Antwort. Er würde nichts unternehmen, um das Verlöbnis zu lösen, ebensowenig wie sie. Aber das wusste er nicht. Und sie hatte auch nicht die Absicht, ihn das wissen zu lassen. Sie wollte, dass er weiter darüber rätselte. Auf diese Weise würde sie wenigstens seine Gedanken beherrschen. Aber lange, bevor sie in Cardinia ankamen, würde sie ihn auch i n ihrem Bett haben. Das war unvermeidlich. Sie konnte einfach nicht länger warten.
Kapitel 34
» W arum so steif, Stefan?« fragte Tanya, sobald sie es sich in der wartenden Kutsche bequem gemacht hatten. Er hatte nach ihrem Arm gegriffen, sie aus der Kabine und vom Schiff gehetzt, und das alles, ohne ein einziges Wort zu verlieren. Aber sie war fest entschlossen, ihn heute aus der Reserve zu locken, in seine
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