Geheimnis des Verlangens
Angebot überhaupt in Erwägung zu ziehen. Aber was würde eigentlich passieren? Sie würde ihm lediglich eine Jungfräulichkeit opfern, die sie ohnehin für niemanden aufsparte, da sie nicht vorhatte, sich jemals zu verheiraten. Und was konnte schon so Schlimmes daran sein? Er verströmte einen herrlichen, männlichen Geruch. Sie hatte schon vorher bemerkt, dass er sauber war. Seine Kleidung war in tadellosem Zustand, und sie hatte nicht das geringste an seinem Aussehen auszusetzen. Vielleicht würde es ihr ja sogar gefallen ... O Gott, was ging da in ihr vor?
»Ihr müßt der Teufel sein«, sagte sie voller Verwunderung, mehr zu sich selbst als zu ihm.
Er hatte keine Ahnung, was sie zu dieser Feststellung veranlaßt hatte, aber er erwiderte: »Da bist du nicht die einzige, die das glaubt.«
Ihre grünen Augen verengten sich. »Ihr solltet wenigstens versuchen, es zu leugnen!«
Er lachte. »Warum sollte ich?«
»Weil... weil... Ach, es ist ja auch egal!« Sie versuchte aufzustehen, aber seine um ihre Taille geschlungenen Arme ließen das nicht zu. Ihre Augen wurden noch schmaler. Er grinste immer noch.
»Also wirklich, Mister, Ihr habt Euch die Falsche ausgesucht ...«
Eine fremde, leidenschaftliche Stimme machte ihr das Weitersprechen unmöglich. »Stefan, ich habe keine Lust, mir wegen eines einzigen dummen Ausrutschers Gewissensbisse zu machen ...«
»Nicht jetzt, Vasili «, knurrte Stefan ungeduldig. »Gebrauch deine Augen und nimm gefälligst zur Kenntnis, dass ich beschäftigt bin.«
Tanya drehte sich um und erlebte eine weitere Überraschung an diesem Abend. Vor ihr stand ein Wesen, das man nur als einen goldenen Adonis bezeichnen konnte: blondes Haar in weichen Locken, goldschimmernde Haut und braune Augen von derselben hellen Farbe wie die des Mannes, der sie gefangenhielt. Aber dieser neue Gast, Vasili , hielt sie mindestens ebenso gefangen — wie durch einen Zauberbann, denn er musste das schönste Geschöpf sein, das Gott je geschaffen hatte, wenigstens jedoch das schönste, das sie jemals zu Gesicht bekommen hatte.
Auch er starrte Tanya an, als könne er seinen Augen nicht trauen, aber dann stöhnte er nur und wandte sich an seinen Freund: »Du hast also aufgegeben, ohne es auch nur zu versuchen, was? Aber du brauchst dich doch nicht mit so etwas zu begnügen«, sagte er angewidert und deutete mit dem Kopf in Tanyas Richtung. »Ich werde dir diese Tänzerin eigenhändig herbeischaffen.«
Tanya brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie soeben aufs Übelste beleidigt worden war. Man konnte sie wirklich nicht für hübsch halten, aber so viel Anstand war doch wohl von jedem Mann zu erwarten, dass er über diese Tatsache schwieg. Dass dieser hier ihr das Gefühl gab, nicht einmal gut genug zu sein, um den Boden zu wischen, über den er schritt — das tat weh. Mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Dass überhaupt ein paar gefühllose Worte ihr weh tun konnten, und erst recht aus dem Mund eines Fremden, versetzte sie noch mehr in Wut. Zwei Gefühle, die kaum miteinander zu vereinbaren waren, tobten in ihrer Brust.
Was glaubten diese Fremden eigentlich, wer sie waren? Der eine überzeugt, sie kaufen zu können, der andere ebenso überzeugt davon, dass niemand, der noch alle seine Sinne beisammen hatte, sie überhaupt würde kaufen wollen. Sie hatte nur noch den einen Wunsch, von hier wegzukommen. Und sie wollte es ihnen heimzahlen. Aber zunächst einmal musste sie sich aus der Gewalt des dunklen Mannes befreien.
Sie räumte sich eine gute Chance für ihr Entkommen ein, denn die Arme, die sie umschlungen hielten, hatten ihren Griff mittlerweile etwas gelockert. So würdevoll wie nur möglich erhob sie sich und legte behutsam die Goldmünzen auf den Tisch. Erst gestern hatte das Harem eine heftige Szene erlebt, da brauchte es heute abend nicht schon wieder eine. Sie kehrte den beiden Männern den Rücken zu, um zu gehen. Eine weise Entscheidung, auf die sie eigentlich hätte stolz sein können, aber plötzlich gewann ihr Ärger die Oberhand, und sie wirbelte herum und schlug dem goldenen Adonis mit aller Kraft ins Gesicht.
Das folgende ereignete sich in Sekundenschnelle, weil alle drei fast gleichzeitig handelten. Vasili hob einen Arm mit der klaren Absicht, dem Mädchen einen Schlag auf ihr Hinterteil zu versetzen. Stefan sprang auf, um den Arm seines Freundes festzuhalten, und Tanya zog ihr Messer aus der Scheide. Aber ausnahmsweise hatte sie einmal keine Lust, ihre
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