Geheimnis um ein verborgenes Zimmer
Leise öffnete er die Tür des Gartenhäuschens, trat ein und legte die Decke, die er mitgebracht hatte, auf eine Bank. Dann ging er wieder hinaus und sah zu dem vergitterten Fenster empor. Nichts rührte sich in dem großen Haus. Würde heute nacht jemand herkommen?
Fröstelnd ging Dicki in das Gartenhaus zurück und wickelte sich in seine Decke. Bald wurde er sehr schläfrig und mußte sich große Mühe geben, die Augen offenzuhalten. Nach einer Weile hörte er die Kirchturmuhr elf schlagen. Müde döste er vor sich hin. Plötzlich schrak er auf. Da schlug die Uhr ja schon wieder! Er zählte zwölf Schläge.
„Schon Mitternacht”, dachte er bei sich. „Ich muß wohl ein wenig eingenickt sein. Na, bis jetzt hat sich nichts gerührt. Kein Mensch ist gekommen, und nun wird wohl auch keiner mehr kommen. Ich werde mich auf den Weg machen.”
Dicki hatte seine ältesten Sachen angezogen. Seine Mutter war zwar nicht so genau wie Frau Hillmann, aber Kleider voller Kohlenstaub hätten bestimmt auch ihren Unwillen erregt. Der Junge sah wie ein kleiner Strauchdieb aus, als er die Decke abgeworfen hatte und lauschend im hellen Mondlicht stand. Er hatte die Perücke mit den schwarzen krausen Haaren auf dem Kopf. Gegen das kalkweiß geschminkte Gesicht hoben sich die schwarzen Augenbrauen besonders scharf ab. Dazu kamen die schrecklichen Zähne. Jeder, der Dicki so gesehen hätte, wäre zu Tode erschrocken. Aber niemand sah ihn.
Dicki schlich an der Hecke entlang zum Hintereingang des Hauses. Bald hatte er das Kohlenloch erreicht. Es war wieder mit Schnee bedeckt. Er hatte sich die Stelle jedoch genau gemerkt. Nachdem er den Schnee entfernt hatte, versuchte er, den schweren eisernen Deckel hochzuheben. Das war nicht so leicht. Er mußte seine ganze Kraft anwenden. Aber plötzlich gab es einen Ruck, er fiel hinten über, und der Deckel klirrte mit großem Krach zu Boden.
Dicki hielt den Atem an und horchte. Alles blieb still. Er stand auf, schob den Eisendeckel beiseite und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die dunkle Öffnung.
Direkt darunter lag ein Haufen Kohlen. Das war günstig. Langsam ließ Dicki sich durch das Loch hinab. Sobald er auf den Kohlen landete, gaben sie nach, und er rutschte von dem Haufen herunter. Als er festen Boden unter den Füßen spürte, knipste er seine Taschenlampe wieder an. Ein paar Treppenstufen führten nach oben. Er ging langsam hinauf und öffnete eine Tür. Sie führte in eine große, vollkommen leere Spülküche, die hell vom Mondlicht erleuchtet war. Von dort führte eine Tür in die Küche. Auch diese, war leer, aber auf dem staubigen Fußboden sah Dicki die gleichen großen Fußspuren, die er und die Kinder draußen im Schnee gesehen hatten.
Vielleicht kann ich in das vergitterte Zimmer gehen, dachte Dicki. Sein Herz klopfte schnell. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nachts allein in dem verlassenen Haus zu sein, in das aus geheimnisvollen Gründen verdächtige Leute kamen.
Dicki war überzeugt, daß im Augenblick niemand hier war. Trotzdem erschrak er vor jedem Schatten und fuhr entsetzt zusammen, als eine Diele unter seinen Schritten knarrte.
Er guckte in jedes Zimmer hinein. Alle waren vollkommen leer. Er durchsuchte das Erdgeschoß, dann das erste Stockwerk und dann das zweite. Das vergitterte Zimmer lag im dritten Stock. Obwohl Dicki niemand oben vermutete, schlich er so leise wie möglich die letzte Treppe hinauf.
Der erste Raum, dessen Tür er öffnete, war leer. Auch in dem zweiten war nichts zu sehen. Auf Zehenspitzen näherte er sich der dritten Tür, öffnete sie leise und spähte hindurch. Hell vom Mondlicht erleuchtet, lag das verborgene Zimmer vor ihm.
Dicki trat ein und sah sich aufmerksam um. Das Zimmer war offenbar kürzlich saubergemacht worden. Auf einem Wandbrett standen Konservendosen mit Fleisch und Früchten. Der Kessel auf dem elektrischen Ofen war mit Wasser gefüllt. Auf dem Fensterbrett standen Bücher. Dicki nahm eins in die Hand und blätterte darin. Es war in einer fremden Sprache geschrieben, und er konnte kein Wort verstehen.
Das Sofa war zum Schlafen hergerichtet. Einige Sofakissen bildeten an einem Ende eine Kopfstütze. Zwei weiche wollene Decken waren zu einer Art Bettdecke zusammengelegt. Dies alles erschien Dicki sehr seltsam.
„Ich werde lieber in das Gartenhaus zurückgehen”, dachte er bei sich. „Sonst überrascht mich womöglich jemand. Schade, daß hier keine Briefe oder Aufzeichnungen liegen, aus denen ich ersehen könnte,
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