Geheimnis Um Mitternacht
auf den Garten gerichtet.
„Ich war verrückt nach ihr", fuhr Jasper mit dumpfer Stimme fort. „Ich bat sie, Cecil zu verlassen und mit mir wegzugehen. Wieder und wieder habe ich sie gefragt. Ich habe ihr gesagt, wir könnten nach Amerika gehen oder in die Kolonien. Es war mir egal, dass ich meine Familie, meinen Namen aufgeben würde. Nichts war wichtig für mich außer Selene. Sie war das schönste Wesen, die charmanteste und sanfteste ... Aber ihr wollt sicher nicht die verliebten Faseleien eines alten Mannes hören."
Er stand auf und wandte sich zu Gideon. „Ich weiß, dass sie nicht gegangen wäre, weil sie es zuvor abgelehnt hatte, mit mir fortzugehen. Sie sagte mir, dass sie dir das nicht antun könnte. Du würdest hierher gehören, nach Radbourne Park. Du würdest eines Tages der Earl sein, und das würde sie dir nicht wegnehmen. Und sie wollte auch nicht ohne dich gehen. Also würde sie bei Cecil bleiben, ohne Liebe, ohne Hoffnung, wegen dir. Und deshalb weiß ich, dass sie nicht zusammen mit dir und einem Liebhaber weggelaufen ist, falls es so einen Mann tatsächlich gab. Und sie hätte dich niemals allein gelassen."
„Sind Sie deshalb zur Armee gegangen?", fragte Irene.
Jasper nickte. „Ja. Ich war verzweifelt. Ich habe es nicht ertragen, hierzubleiben und sie jeden Tag als seine Frau zu sehen. Cecil war keine einzige ihrer Tränen wert. Ich hasste ihn, weil sie ihm gehörte und weil er einfach nicht verstand, welch einen Schatz er da hatte. Also kaufte ich ein Offizierspatent und bat um ein indisches Regiment.
Ich wollte so weit weg wie möglich, damit ich nicht meinen Schwur brechen und zurückkommen würfe, selbst wenn ich einige Zeit frei hatte." Er seufzte und rieb müde über sein Gesicht. „Wenn ich nur nicht so schwach gewesen wäre, so impulsiv. Wenn ich nur hier geblieben wäre, dann wäre es nicht passiert."
„Sie müssen sich nicht die Schuld geben", sagte Irene mitfühlend. „Sie konnten unmöglich ahnen, dass etwas passieren würde."
„Ich bin gegangen, weil ich zu schwach war", erwiderte er mit harter Stimme und einem Bedauern im Blick, das ihn, so glaubte Irene, bis ans Lebensende quälen würde. „Ich konnte es nicht ertragen. Und Gott allein weiß, was mit ihr passiert ist."
„Was ist denn passiert?", fragte Gideon scharf.
„Ich weiß es nicht." Jasper sah ihn an. „Aber ich bin mir sicher, dass Selene nicht von sich aus weggegangen ist."
Als Irene am nächsten Morgen zum Frühstück hinunterging, sah sie vielleicht etwas blass, aber gefasst aus, und nichts verriet, dass sie eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Gestern Abend waren sie und Gideon mit Jasper zum Haus zurückgekehrt, und dann hatte sie die Männer allein gelassen und war auf ihr Zimmer gegangen.
Sie wusste nicht, was die beiden noch weiter besprochen hatten, aber sie hatte sehr lange nicht einschlafen können, weil ihr Kopf voll wirrer Gedanken und widerstreitender Gefühle war. Immer wieder dachte sie an Gideons Mutter, allein und verliebt in einen Mann, der weit weg war. Was hatte sie getan? Was war mit ihr passiert? Irene malte sich die schrecklichsten Dinge aus. Als sie endlich einschlief, träumte sie und war wieder und wieder schweißbedeckt und mit pochendem Herzen hochgeschreckt.
Morgens war sie aus einem letzten schrecklichen Traum aufgewacht, während die frühe Sonne durch die Ritzen ihrer Vorhänge drang. Sie wusste, dass es ihr nicht gelingen würde, wieder einzuschlafen, und nach der Nacht, die sie hinter sich hatte, wollte sie das auch gar nicht. Also klingelte sie nach ihrer Zofe, zog sich an und ging hinunter ins Speisezimmer. Wenigstens, dachte sie, wird der so früh am Morgen leer sein.
Das war er, bis auf eine Person. Gideon hob den Kopf, als sie eintrat.
„Irene." Er erhob sich hastig.
„Lord Radbourne." Sie zögerte, ging dann zu dem Stuhl hinüber, den er für sie herausgezogen hatte, und setzte sich, entschlossen, sich ganz natürlich zu verhalten. „Sehr wenig Gesellschaft heute morgen, stelle ich fest."
„Ja, aber es ist auch noch sehr früh, und ich denke, dass alle vom Tanzen gestern müde sind."
Ein Diener trat vor, um ihr Speisen von der Anrichte anzubieten, und in den nächsten Minuten beschäftigte Irene sich damit, ihren Teller zu füllen und zu essen. Gideon hatte sein Mahl schon beendet, und der Diener entfernte seinen Teller, aber Gideon blieb und nippte an seiner Teetasse.
Irene spürte, dass seine Augen auf ihr ruhten, doch sie hielt ihre
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