Geheimnis Um Mitternacht
sollte sie sonst so spät noch wach gewesen sein? Und da war etwas in ihrem Gesicht ... so strahlend und glücklich.
Und es gab einige Male, wo sie ... einfach so viel unbeschwerter wirkte. Sie kam vom Garten herein, ihre Arme voller Blumen, und sie summte vor sich hin und lächelte. Es gab Zeiten, wo sie wochenlang froh gestimmt war.
Und dann war sie plötzlich wieder traurig. Ich überraschte sie, wie sie mit Tränen in den Augen aus dem Fenster sah."
„Wissen Sie, wer der Mann war?"
Nancy schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat nie mit mir über ihn gesprochen. Sie wollte mich sicher nicht damit belasten, aus Angst, ihre Lordschaft würde mich befragen. Aber sie hätte sich keine Sorgen machen brauchen."
Trotzig reckte sie das Kinn. „Ich hätte ihm nie irgendetwas verraten."
„Natürlich nicht", sagte Irene. „Also dachten Sie an dem Morgen, dass sie vielleicht nur noch nicht von einem nächtlichen Stelldichein zurück war?"
Nancy nickte. „Ich konnte mir keinen anderen Grund vorstellen, warum sie nicht ins Bett gegangen sein sollte -
auch wenn ich eigentlich dachte, dass sie ihn nicht mehr traf. Es war lange her, dass sie ... glücklich gewesen war."
Diesmal konnte Irene sich nicht zurückhalten und brach den Blickkontakt mit der Frau ab, um zu Gideon hinüberzusehen. Wahrscheinlich hatte Nancy die Zeichen des Glücks zu der Zeit gesehen, als Selene die Affäre mit Jasper hatte.
„Also war ich ein wenig überrascht und machte mir Sorgen", fuhr Nancy fort. „Aber ich habe es nicht gewagt, es seiner Lordschaft zu erzählen." Sie stieß ein bedauerndes Stöhnen aus. „Oh, ich wünschte, ich wäre direkt zu ihm gegangen! Vielleicht hätte er dann die schrecklichen Männer finden können." Sie wandte sich Gideon zu. „Er hätte Sie und Ihre Mutter heil und gesund zurückbringen können."
„Sie müssen sich keine Vorwürfe machen", beruhigte Irene sie. „Es war nicht Ihre Schuld. Sie haben getan, was Sie konnten. Und selbst wenn Sie direkt zu ihm gegangen wären, war sie doch offensichtlich schon einige Zeit verschwunden, da sie nicht in ihrem Bett geschlafen hatte. Sie waren da schon weit weg."
„Das ist richtig", bestätigte Gideon mit freundlicher Stimme. „Sie hätten nichts anderes tun können."
„Danke, Mylord", schniefte Nancy und schenkte ihm ein Lächeln. Sie räusperte sich und wischte sich noch einmal über die Augen. Dann setzte sie ihre Geschichte fort. „Aber dann kam die Gouvernante heruntergerannt und stammelte etwas von dem jungen Herrn. Sie sagte, dass er weg sei und dass sie überall nach ihm gesucht hätte. Und dann kam Lord Radbourne zu mir, und ich musste ihm sagen, dass Mylady auch weg war. Ich dachte, er würde sehr böse mit mir sein, weil ich es nicht vorher schon erzählt hatte, aber das war er nicht. Er hat nicht einmal gefragt, warum ich nicht schon früher etwas gesagt habe. Er hatte ... er hatte Angst."
Sie sagte das Wort mit einem Anflug von Erstaunen in ihrer Stimme. „So habe ich ihn noch nie zuvor gesehen. Er war normalerweise ein harter, kalter Mann, aber an dem Tag hat er gewirkt, als hätte er Angst. Ich konnte sehen, dass seine Hände zitterten. Und dann wurde mir klar, dass er sie auf seine Art geliebt haben muss. Er sagte mir, dass Ihre Ladyschaft und Gideon entführt worden seien und wegen des Lösegelds gefangen gehalten wurden." Sie seufzte. „Er hat diesen Owenby geschickt, um den Entführern das Lösegeld zu bringen, aber sie haben Sie nicht zurückgegeben. Und ich wusste, sie musste tot sein."
„Haben Sie irgendwann einmal vermutet, dass sie vielleicht nicht entführt worden ist?", fragte Irene. „Dass sie vielleicht weggelaufen war?"
Lady Selenes ehemalige Zofe sah sie ein wenig schuldbewusst an. „Ich ... Ja, das habe ich, Mylady. Gleich zu Anfang. Es schien seltsam, dass die Entführer ins Haus gekommen sein sollten und sie und den Jungen mitnehmen konnten, ohne dass jemand etwas davon bemerkte. Ich dachte, dass sie den Earl vielleicht getäuscht hatte, auch wenn so ein Verhalten zu grausam für sie schien. Aber sie war so unglücklich, und ich dachte, das kam daher, weil sie mit ihrem Liebhaber gebrochen hatte, wer auch immer er war. Vielleicht hatte sie es nicht länger ertragen können und war einfach weggelaufen und zu ihm gegangen, so reimte ich mir das zusammen. Sie hätte Sie mitgenommen, Sir, wenn sie weggelaufen wäre, denn ich weiß, dass sie es niemals über sich gebracht hätte, Sie zurückzulassen. Also bin ich ... also,
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