Geheimnis von St. Andrews
mehr genannt als den Namen und ihren Herkunftsort, nämlich das Dörfchen Gates.
Während der nächsten Stunden passierte nichts Aufregendes. Am Abend kehrte Blackburn aus der Krypta zurück.
„Sie können jetzt Feierabend machen, Miss Wynn. Sagen Sie bitte auch Mark Gilmore Bescheid.“
„In Ordnung, Sir. Auf Wiedersehen. Bis morgen.“
Der Restaurator erwiderte den Gruß und verschwand erneut, diesmal allerdings in der Sakristei. Am liebsten wäre Cherry sofort in die Krypta geschlichen, aber das wollte sie jetzt nicht riskieren. Stattdessen ging sie zu Mark hinüber, der sie anlächelte, als er sie erblickte.
„Unser Feierabend wurde soeben eingeläutet. Hast du schon was vor, Mark?“, fragte sie ihn.
„Ja, habe ich. Normalerweise würde ich mich lieber mit dir treffen, aber heute ist der Übungstag der freiwilligen Feuerwehr. Da bin ich schon seit ewigen Zeiten dabei, das hat in meiner Familie Tradition. Mein Dad und mein Grandpa waren auch schon ehrenamtliche Brandbekämpfer.“
„Alles klar, dann sehen wir uns morgen hier in St. Andrews.“
Cherry war einerseits etwas enttäuscht, weil sie gerne mehr Zeit mit Mark verbracht hätte. Er tat ihr einfach gut. An seiner Seite war alles locker und unkompliziert. Aber andererseits wollte sie es ja langsam angehen lassen. Deshalb war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sie den Abend für sich allein hatte.
Schließlich wollte sie sich längst schon wieder telefonisch bei ihrer besten Freundin Rhonda gemeldet haben. Die täglichen Gespräche mit ihr fehlten Cherry sehr. Aber in letzter Zeit war einfach zu viel passiert. Außerdem wollte sie sich auch noch informieren, ob es in Pittstown einen Karateklub gab, in dem sie Mitglied werden konnte.
Auf dem Heimweg fiel Cherry ihre Widersacherin Jenny ein. Während des ganzen Tages war sie nicht in Erscheinung getreten, jedenfalls hatte Cherry nichts davon bemerkt. Jetzt achtete sie sorgfältig darauf, ob sie verfolgt wurde oder ob ihr irgendwo jemand auflauerte. Aber alles schien ruhig zu sein. Vielleicht hatte Jenny ja die Lust am Stalken verloren. Cherry hätte jedenfalls nichts dagegen gehabt.
Als Cherry die Pension erreichte, wurde sie bereits von Thelma Miller erwartet. Die alte Dame saß in der Küche und hörte Radio. Cherry wollte etwas sagen, aber stattdessen lauschte sie lieber auf die Nachrichten, die soeben verlesen wurden.
„Auf der Landstraße zwischen Norwich und Great Yarmouth wurde in den frühen Morgenstunden die Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Wie soeben bekannt wurde, ist das Opfer erwürgt worden. Die Polizei verfolgt alle denkbaren Spuren. Es wird auch geprüft, ob die zwanzigjährige Elizabeth K. von dem sogenannten Suffolk-Killer getötet wurde. Ihr Alter und die Vorgehensweise des Mörders lassen diese Möglichkeit als denkbar erscheinen. Nun zum Wetter …“
Die Pensionswirtin schaltete das Radio aus. Sie hatte bemerkt, dass Cherry hereingekommen war. Die beiden Frauen schauten sich an.
„Ist das nicht furchtbar, Cherry? Ich frage mich wirklich, was in solch einem Menschen vorgeht.“
„Wir wissen es nicht, und vielleicht werden wir es nie erfahren.“
Thelma Miller nickte. „Und im Pfarrhaus ist auch etwas passiert, nicht wahr?“
„Woher wissen Sie das denn schon?“
„Pittstown ist nun mal eine kleine Stadt. Hier verbreiten sich Nachrichten fast noch schneller als in den sozialen Netzwerken im Internet.“
Die Pensionswirtin hatte also bereits gehört, was mit Father Nolan geschehen war. Dennoch musste Cherry ihr haarklein davon berichten, während Thelma Miller das Abendessen zubereitete.
„Ich hoffe nur, dass Father Nolan bald aus der Bewusstlosigkeit aufwacht. Und die Polizei hat wirklich noch keinen Hinweis auf den Täter?“, wollte die Pensionswirtin wissen.
„Soweit ich weiß, wird ein Landstreicher verdächtigt. Aber ob er es war, ist zweifelhaft.“
„Ich wette, du hast auch eine Meinung dazu“, erwiderte Thelma Miller, wobei sie Cherry verschwörerisch zublinzelte.
„Ja, die habe ich. Aber ohne Beweise will ich niemanden beschuldigen.“
Cherry glaubte nämlich, dass Blackburn den Pfarrer niedergeschlagen und das Kirchenbuch gestohlen hatte. Vielleicht war er sogar für den Tod von Amber Page verantwortlich. Das war jedenfalls ihr Verdacht.
Oder ob Jenny etwas damit zu tun hatte? Zwar fiel das Motiv Eifersucht bei dem Pfarrer weg, aber Marks Ex handelte unberechenbar. Bei ihr musste
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