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Geheimnisse der Lebenskraft Chi

Titel: Geheimnisse der Lebenskraft Chi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Meech
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gehabt«, sagt er. Ich frage, weil ich weiß, dass die Linie der Chi-Gong-Meister in China sehr viel bedeutet. Um ihm mehr zu entlocken, erwähne ich seinen Vater, und jetzt kommt Glanz in seine Augen. Natürlich habe er Chi Gong bei seinem Vater gelernt, sagt er. (Warum fragt Peter so Selbstverständliches?) Aus früheren Gesprächen mit dem Doktor weiß ich, dass die Geheimnisse des Chi Gong traditionell vom Vater an den Sohn weitergegeben wurden. Mich interessiert jetzt, ob unter seinen Meistern auch eine Frau war, und als ich ihm diese Frage stelle, wirft er mir einen Blick zu, in dem sich der Ausdruck der Grinsekatze mit dem eines buddhistischen Weisen mischt.
    »Weshalb fragt Peter das?« Ich erzähle ihm von einem Traum, den ich vor Monaten hatte. In diesem Traum flüsterte er mir zu, er habe bei seiner Großmutter Chi Gong gelernt.
    »Das gut«, sagt Dr. Chow. »Peter behält Traum.«
    »Stimmt es denn?«
    Sein abgründiges Lächeln kehrt zurück. »Sie hat gelernt, weil keine Jungen in dieser Familie.« Seine Traumunterweisung beschäftigt mich trotzdem noch. Wenn ich diesen Traum nicht mehr in Erinnerung hätte, wäre die Information dann trotzdem noch irgendwo in meinem Gehirn, um zu einem anderen Zeitpunkt abgerufen zu werden? Und warum teilt er mir das in einem Traum und nicht direkt mit?
    Ich frage, ob er noch über andere seiner Meister sprechen möchte. Er sagt eine Weile nichts, und ich will schon das Thema wechseln, als er den Meister nennt, von dem er den Ling zhi geschenkt bekommen hatte, Li Chun-choy. Dieser Meister, sagt Dr. Chow, war auf Augenkrankheiten spezialisiert. Vierzehn
Jahre hatte er bei ihm in Shanghai studiert. In dieser Zeit, sagt er, hatte er auch viele der Patienten seines Meisters kennengelernt, aber niemand ahnte auch nur, dass ihr Arzt außerdem ein Chi-Gong-Meister war. Ich sehe ihn fragend an, und er erklärt: Sobald einer als Chi-Gong-Meister bekannt sei, würden die Leute ständig Chi von ihm haben wollen. Das ist für jemanden, der in Stille leben möchte, wenig verlockend.
    Tamiyo fragt von hinten: »Und die Meister in den Bergen, was sind das für Leute?« Dr. Chow zupft augenblicklich ein Papiertaschentuch aus einem Päckchen und schwenkt es.
    »Das hier Gesellschaft«, sagt er und wendet sich halb um. Er reißt zwei Löcher in das Tuch und hält es sich vors Gesicht, um wie ein maskierter Bandit in einem drittklassigen Gongfu-Film auszusehen. »Meister durchschaut Gesellschaft. Mag nicht mehr. Geht weg von der Gesellschaft für stilles Leben in der Natur. Meister lebt an« - er sagt etwas auf Chinesisch und behilft sich dann mit einer englischen Umschreibung - »Meister lebt versteckt, wo ihn keiner stört. Niemand findet ihn da, auch kein Hellseher, kein Chi-Gong-Meister.«
    Er nimmt das Tuch vom Gesicht, das einen in sich gekehrten Ausdruck angenommen hat. Ich nehme die Konturen dieses Gesichts in mich auf und denke, dass ihm vielleicht auch solch ein Leben vorgeschwebt hat.
    Tamiyo fragt: »Und sind Sie jemals solch einem Meister begegnet?«
    »Bin.«
    »Und Sie waren sein Schüler?«
    Er nickt, sagt aber nichts weiter. Ob der Meister verheiratet gewesen sei oder allein gelebt habe, möchte Tamiyo wissen.
    »Verheiratet.«

    »Wovon haben sie sich ernährt?«
    »Selbst Gemüse angebaut«, antwortet Dr. Chow. »Und Kräutermedizin in der Stadt besorgt. Ich ein halbes Jahr bei ihnen gewohnt.«
    »Oh, da!« Tamiyo deutet auf ein Pferd, das über seine Weide galoppiert und Wolken in die Winterluft schnaubt. Dr. Chow klatscht begeistert in die Hände.
    Etwas später frage ich ihn: »Was für Meister hatten Sie sonst noch, Dr. Chow?« Er atmet einmal tief durch, bevor er antwortet. Dann erzählt er von einem Meister in Shanghai, der seinen Namen nicht nennen wollte. Er wollte einfach Sifu - Meister - genannt werden. Er war schon über hundert Jahre alt, als Dr. Chow ihm begegnete. Er war sehr eigensinnig, fährt Dr. Chow fort, es kostete große Mühe, ihm sein Wissen abzuringen. Ich frage ihn, ob der Meister noch lebe. Dr. Chow nimmt es an, zumindest vom Gefühl her. Er sei jedoch nach der Kulturrevolution verschwunden. Er sitzt eine Weile wie in Meditation versunken da und ergänzt dann mit belegter Stimme, die Chi-Gong-Meister hätten während der Kulturrevolution alle untertauchen müssen. Niemand konnte offen praktizieren. Erst in den Siebzigerjahren tauchten die Chi-Gong-Meister wieder auf.
    Schweigend fahren wir weiter. Nach einer Weile schalte ich das Radio ein, es

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