Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Gelis an eine Wiener Freundin auf ihrem Tisch lag, »in dem so gar nichts von Lebensüberdruß enthalten war«, wie es im Bericht der Polizeidirektion München heißt. Otto Wagener, damals SA-Gruppenführer und später Hitlers Wirtschaftsberater, berichtete, Hitler habe die Pistole seiner Nichte stets zur Aufbewahrung gegeben, wenn er sich längere Zeit nicht in München aufhielt. Geli habe die Waffe dann meist auf ihren Nachttisch oder Schreibtisch gelegt. Es bestünde also durchaus die Möglichkeit, dass Geli nur nachprüfen wollte, ob die Walther geladen war, und sich daraufhin der Schuss löste. Der Experte der Polizei, Thomas Althaus, widerspricht jedoch: »Bei einer Pistole der Marke Walther kann sich ein Schuss erst nach Entsichern der Waffe lösen. Ein Unfall scheidet also aus.«
Hitler und sein Propagandaleiter Goebbels verstanden es, den Tod Geli Raubals für Propagandazwecke zu nutzen.
Er habe nunmehr keine »Bindungen zur Welt«, ließ Hitler verlauten, und gehöre »nur noch dem deutschen Volk«. Das Trugbild des »uneigennützigen Führers«, der aus Rücksicht auf seine politische »Mission« und die »nationalsozialistische Bewegung« auf jedes private Glück verzichtete, ließ sich vor dem Hintergrund von Gelis Tod umso wirkungsvoller gestalten. Dabei stilisierte Hitler Geli zur »einzigen Liebe seines Lebens«: »Er hat sie sehr geliebt«, hielt Goebbels am 27. Oktober 1931 in seinem Tagebuch fest. »Sie war sein ›guter Kamerad‹. Die Tränen stehen ihm in den Augen. … Dieser Mann, auf der Höhe des Erfolges, ohne jedes persönliche Glück nur dem Glück seiner Freunde verpflichtet. Guter Hitler!« Gelis Zimmer in der Münchner Wohnung am Prinzregentenplatz wurde abgeschlossen, niemand außer Hitler durfte den Raum betreten. Mit Bildern und Büsten seiner Nichte betrieb Hitler einen wahren Totenkult. Sosehr Hitler auch bemüht war, seine Trauer um Geli zur Schau zu tragen, so wenig lag ihm offenbar daran, seiner »geliebten« Nichte ein ordentliches Grab zu verschaffen. Der Leichnam der jungen Frau war auf Wunsch ihrer Mutter in einem Zinksarg nach Wien gebracht worden, wo er am 23. September 1931 um 15 Uhr in einer Notgruft auf dem Zentralfriedhof beigesetzt wurde. Hitler nahm an der Bestattung Gelis nicht teil, ihm war seine politische Karriere wichtiger. Am Tag des Begräbnisses befand er sich auf dem Weg nach Hamburg, wo er am 24. September vor tausenden Anhängern eine fanatische Rede hielt. Erst zwei Tage später besuchte Hitler das Notgrab Gelis in Wien. Jahrelang blieb der Zinksarg vorschriftswidrig in der »linken Arkade Nr. 9« auf dem Wiener Zentralfriedhof stehen, Gelis Mutter kam für die Kosten auf, bis sie die Zahlungen 1938 einstellte. Niemand kümmerte sich mehr um Gelis sterbliche Überreste, die schließlich im März 1946 »amtswegig enterdigt« und in einem Reihengrab mit der Nummer 73 bestattet wurden. In den 1960er-Jahren wurde das Grab eingeebnet und in eine Grünfläche umgewandelt.
Anfang 1932, wenige Monate nach Gelis Tod und rund anderthalb Jahre nach ihrer ersten Begegnung im »Photohaus Hoffmann«, wurde Eva Braun laut Aussage von Hitlers Köchin Anni Winter dessen Geliebte. Für seine neue Freundin hatte Hitler in diesen Monaten jedoch nur wenig Zeit. Fieberhaft arbeiteten er und seine Parteifreunde daran, die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler zu realisieren und damit die Macht über Deutschland zu erringen. Hitlers politische Ziele hatten in der Beziehung zu Eva Braun stets Vorrang. Er verlangte ein anspruchsloses, pflegeleichtes Verhältnis. »Für die Liebe halte ich mir in München ein Mädchen«, erklärte er seinem Adjutanten Fritz Wiedemann. Das »Tschapperl« Eva betrachtete Hitler keinesfalls als gleichberechtigte Partnerin. »Sehr intelligente Menschen sollen sich eine primitive und dumme Frau nehmen«, ließ er seinen Architekten und Rüstungsminister Albert Speer wissen. »Sehen Sie, wenn ich nun noch eine Frau hätte, die mir in meine Arbeit hineinredet! In meiner freien Zeit will ich meine Ruhe haben.« Zweifellos litt Eva Braun unter dieser Einstellung. Das Warten auf Hitler wurde zum bestimmenden Lebensgefühl für die junge Frau. Irgendwann im Lauf des Jahres 1932 verwandelte sich ihre strapazierte Geduld in pure Verzweiflung. Vermutlich in der Nacht vom 10. auf den 11. August unternahm Eva Braun einen Selbstmordversuch mit dem Revolver ihres Vaters. »Reichsjugendführer« Baldur von Schirach berichtete später, Hitler habe am Vormittag des
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