Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Normandie verlangen. Doch Wilhelm Burgdorf, Chef des Heerespersonalamts und Chefadjutant des Oberkommandos der Wehrmacht bei Hitler, sowie Ernst Maisel, Abteilungsleiter für »Weltanschauliche Erziehung« und »Ehrenangelegenheiten« im Heerespersonalamt, hatten einen viel gravierenderen Auftrag: Sie konfrontierten den Feldmarschall mit dem Vorwurf, er sei am Putschversuch des 20. Juli 1944 beteiligt gewesen. Die Generale zitierten belastende Aussagen von gefangen genommenen Verschwörern und erklärten, alle Indizien sprächen gegen Rommel. Deshalb sei es nun notwendig, dass er die »angemessenen Konsequenzen« ziehe. Rommel wurde leichenblass. Er sprang auf und lief unruhig im Zimmer auf und ab. »Ich fühle mich unschuldig«, stieß er schließlich hervor. »Ich bin nicht beteiligt am Attentat. Ich habe in meinem ganzen Leben dem Vaterland gedient und das Beste getan.« Doch dann ließ er sich resigniert in den Sessel sinken. »Ich werde die Konsequenzen ziehen«, sagte er leise, und dann: »Ich habe den Führer geliebt und liebe ihn noch.«
Die letzten Stunden im Leben Rommels machen das ganze Dilemma dieser scheinbar bis ins letzte Detail ausgeleuchteten Persönlichkeit deutlich: Wer war dieser Mann wirklich? Ein ritterlicher Heerführer, der zwar einem verbrecherischen System diente, dabei aber so untadelig blieb, dass bis heute Straßen und sogar Bundeswehr-Kasernen nach ihm benannt sind – als einzigem Feldmarschall aus Hitlers Wehrmacht neben Erwin von Witzleben, der freilich am 20. Juli eine aktive Rolle spielte? Ein brutaler Nazi-General und Kriegsverbrecher, eine scheele Propagandafigur, deren Andenken noch immer lediglich von Ewiggestrigen hochgehalten wird, wie andere behaupten? Oder tatsächlich ein Mann des Widerstands, der sich zwar spät, dann aber mit Nachdruck der Verschwörung von Wehrmachtsoffizieren gegen Hitler anschloss und auch das Attentat auf den Diktator guthieß – somit ein Vorbild bis heute?
Wo immer Erwin Rommel befahl – er blieb stets des »Teufels General«.
Ralph Giordano, Publizist
Wer also war Rommel? Was ist das Geheimnis dieses Mannes, dass auch mehr als 65 Jahre nach seinem Tod sein Mythos noch immer nicht verblasst ist? Dass noch immer Bücher zu Bestsellern werden, die sich mit seiner Person beschäftigen, Filme und Dokumentationen ein Millionenpublikum vor die TV-Geräte locken und Ausstellungen zu seinem Leben wegen des gewaltigen Besucherandrangs verlängert werden müssen? Erliegen wir bis heute der NS-Propaganda, die den schneidigen Schwaben zu einem ihrer Hauptprotagonisten erhoben hatte? Waren seine Leistungen als Feldherr wirklich derart außergewöhnlich, dass er heute zu Recht weltweit der bekannteste Soldat der Wehrmacht ist? Oder vermochte Rommel tatsächlich ein »richtiges Leben im Falschen« zu führen – war er ein sauberer Deutscher, unbefleckt von Völkermord und den Verbrechen des NS-Regimes? Berührt uns letztlich die Tragik dieser Persönlichkeit, die, scheinbar aus dem Nichts kommend, bis in höchste Sphären aufstieg, um dann umso brutaler ins Bodenlose zu stürzen? Was ist das Geheimnis der »Legende Rommel«?
»Pour le Mérite«
Gut viereinhalb Jahre vor jenem tragischen Oktobertag 1944 hatte der kometenhafte Aufstieg des Feldherrn begonnen. Es waren die Tage des »Westfeldzugs« im Frühjahr 1940, als die Wehrmacht den Erzfeind Frankreich in nur sechs Wochen niederringen konnte. Erstmals hatte Rommel damals das Kommando über eine Panzerdivision erhalten und sich mit schnellen und überraschenden Vorstößen tief hinter die feindlichen Linien einen Namen gemacht. Bemerkenswert daran war vor allem, dass Rommel als Militärführer bis dahin mit Panzern so viel zu tun gehabt hatte wie mit U-Booten oder Sturzkampfbombern – nämlich nichts. Er war Infanterist, und als Autor des Buchs Infanterie greift an war auch Hitler auf ihn aufmerksam geworden. Den Diktator hatten Rommels Berichte aus dem Ersten Weltkrieg an die »unvergeßlichste und größte Zeit« seines Lebens erinnert – entsprachen diese doch in vielen Punkten den Erlebnissen und Gefühlen des seinerzeitigen Gefreiten Hitler. Der »Führer« persönlich sollte fortan zu den entscheidenden Förderern des ungewöhnlichen Generals zählen.
»Gestern Abend fuhr mein Regiment weg. Ich zog natürlich mit meiner geliebten 7. Kompanie zum Bahnhof. Die Leute haben mich alle so schrecklich lieb, lassen sich für mich in Stücke hauen. Vom Feldwebel bis zum Unteroffizier bis zum Rekruten.
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