Geheimnisse des Himmels
Raben.
Der nächste Tag folgte dem gleichen langweiligen Ablauf wie jener zuvor. Kaithlyn durchkämmte noch mehr Räume, saß alleine bei den Mahlzeiten und tauchte irgendwann in der Bibliothek ab, um die Einsamkeit mit Hilfe von Freunden aus Tinte und Papier zu verdrängen. Sie war mehrmals in der Nähe des Arbeitszimmers ihres Großvaters herumgeschlichen, doch als sie seine Stimme durch die Tür poltern hörte, zog sie sich zurück, weil sie nicht das Recht hatte, seinen Gesprächen zu lauschen. Sie mied den Disceptor und versuchte Meloras Worte aus ihrem Kopf zu verbannen. Als sie sich gegen Mittag in der großen Eingangshalle herumtrieb und mit Harlow die Statur des Drachen bewunderte, hatte sie endlich das Glück ihren Großvater ohne Mr Roberts zu erwischen. Sie hörte, wie die Kutsche, aus der er soeben gestiegen war, davon fuhr.
„Kaithlyn!“, rief er und lächelte erfreut. „Ich komme gerade von einem Besuch bei Mrs Azedine.“ Sie erwiderte sein Lächeln, obwohl ihr der Name nichts sagte. „Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, aber ich gewinne allmählich den Eindruck, dass ich dich ziemlich vernachlässige. Was hältst du von einem gemeinsamen Essen? Nur wir zwei?“
„Ist schon okay“, log sie. „Und ein Essen wäre toll.“
Mr Karacord verstand es, eine gute Unterhaltung zu führen. Seine Fragen waren beiläufig, aber interessiert, sodass Kaithlyn sich nicht gezwungen sah zu antworten und es genoss, ihren Großvater ganz für sich allein zu haben. Sie saßen auf einer Terrasse im Erdgeschoss und löffelten den Nachtisch: Eis und Harlow entdeckte eine neue Leibspeise.
„Mrs Azedines Familie ist also eine der Sieben?“
„So ist es. Ich habe mich in den letzten Tagen bemüht, jeden persönlich zu besuchen, um einige Dinge zu erklären. Es ist mir nicht leicht gefallen, in die vielen Augen zu blicken, die mir die Schuld zuweisen“, gestand ihr Großvater. „Entschuldige, jetzt fange ich schon wieder davon an.“
Er warf einen Blick über das Gelände. Das war das dritte Mal, das er in diese Richtung sah. Kaithlyn betrachtete aufmerksam, den Teil des Gartens auf den er sein Augenmerk legte. In einem Feld aus bunten Blumen ragte ein kleiner runder Turm, der kaum mehr als fünf Meter Höhe maß. Er besaß ein Kupelförmiges Dach und war über und über mit wilden Rosen bewachsen. Ein Mausoleum. Das Grab ihrer Großmutter. Katharina Karacord.
„Großvater –“
„Ich habe mir überlegt zum Anlass deines Geburtstags eine Feier zu geben. Es wäre die passende Gelegenheit dich allen Familien und Freunden des Drachenclans vorzustellen.“
Kaithlyn verschluckte sich fast. „Eine Feier?“, hustete sie.
„Es ist Gegebenheit zu einem solchen Anlass eine Feier auszurichten. Geburtstage sind kostbare Tage des Lebens. Dein besonderer Tag ist am 21. Juni“, sagte Mr Karacord überzeugt. Kaithlyn starrte ihn entgeistert an.
„Halt. Was? Moment mal, woher weißt du, wann ich Geburtstag habe?“, sprudelte sie verblüfft drauf los. Mr Karacord legte seinen Löffel aus der Hand. Er griff in eine Innentasche seines Schwarzen Jacketts, holte etwas, das nach einer Kordel aussah heraus und ließ es in Kaithlyns offene Hände fallen. Es war so leicht, das sie sein Gewicht kaum spürte. Ein geflochtenes Armband aus grüner und weißer Wolle.
„Das...“
Kaithlyn musste schwer schlucken. Ihr Name stand drauf gestickt.
„Das ist dein Geburtsnamensband. Es war ein Hobby deiner Mutter. Sie hat solche Bänder jedem geschenkt, der ein Baby erwartete.“
„Ich werde nie vergessen, an welchem Tag du geboren wurdest.“
Kaithlyns Finger begannen zu zittern. „Du hast es aufbewahrt?“
„Überrascht dich das? Also, ich dachte mir – Kaithlyn weinst du?“
„Nein, ich hab nur was im Auge.“
Rasch wischte sie sich die Träne aus dem Augenwinkel und reichte ihrem Großvater das Band. Er verstaute es wieder in seiner Jacketttasche.
„Zurück zu deinem Geburtstag. Es ist dir doch recht? Wir laden natürlich auch all deine Freunde ein“, begann Mr Karacord.
„Mh“, machte Kaithlyn.
„Ich will sie alle kennenlernen und –“
Er war eindeutig zu euphorisch.
„Ich habe dort…keine Freunde, also es gibt da schon jemanden…meine beste Freundin Rose…aber…das macht zu viele Umstände“, nuschelte sie verlegen, doch ihr Großvater plauderte munter weiter, ohne ihrer Unsicherheit Beachtung zu schenken.
„Es ist alte Tradition Geburtstage von großer Bedeutung im Tanzsaal zu
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