Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
Jane nicht wohlgesinnt zu sein?“
„Nein, Vater, natürlich nicht. Mary Jane ist ein süßes Mädchen, und ich sagte Philip bereits, wie sehr ich mich für ihn freue, aber …“
„Ich will deine Entschuldigungen nicht mehr hören, Kathryn. Ich habe dir verziehen, dass du deine Pflichten mir gegenüber vergessen hast. Aber ich bestehe darauf, dass du mir in dieser Sache gehorchst.“
Kathryn wandte sich ab. Seine unnachgiebigen Worte trafen sie wie Peitschenhiebe. Sie hatte ihren Vater noch nie so erlebt, und seine Härte verletzte sie tief. Er schien nicht zu verstehen, welche Qualen sie durchlitt. Sie liebte Lorenzo so sehr, dass der Schmerz kaum auszuhalten war.
Sie nahm ihren Umhang und ging nach draußen. Klirrende Kälte umfing sie, und der Wind peitschte gegen ihren schmalen Körper und zerrte an ihren Kleidern, als wollte er sie ihr fortreißen. Kathryn zitterte, ihr Gesicht sah durchgefroren und blass aus. Hier an der Küste Cornwalls war es viel kühler als in Rom. Dort waren die Winde warm gewesen, und die Luft hatte nach Blumen geduftet. Sie sehnte sich danach, wieder dort zu sein. Ihr schauderte, als der eisige Wind ihr Gesicht berührte, und sie blickte in die Wolken. Anscheinend braute sich dort oben auch noch ein Gewitter zusammen.
Was für ein grauer Himmel! Wie sollte sie es nur ertragen, ohne Lorenzo in dieser kalten, grauen Welt weiterzuleben? Es wäre so viel einfacher zu sterben. Denn wenn es ein Leben nach dem Tod gab, wie es die Kirche versprach, konnte sie dann vielleicht wieder bei ihrem Geliebten sein.
Ihre Schritte führten sie über die Grenzen der Ländereien ihres Vaters hinaus, hin zu den Felsen, die über der Bucht aufragten, in der Dickon vor so vielen Jahren geraubt worden war.
War es möglich, dass Lorenzo und Dickon ein und derselbe Mann waren? Charles Mountfitchet glaubte es auf jeden Fall, und Kathryn konnte sich daran erinnern, wie sie ihn in ihrem Herzen beim ersten Blick in seine Augen erkannt hatte – Augen, die so blau waren wie keine anderen. Und doch hatte sie den Gedanken damals verworfen, weil sie ihn für einen hochwohlgeborenen Venezianer gehalten hatte, für den leiblichen Sohn von Antonio Santorini. Sie war nicht bereit gewesen zu akzeptieren, dass ein solcher Mann ihr verlorener Geliebter sein konnte. Doch jetzt …
Es schien, als hätte sie ihren Liebsten zum zweiten Mal verloren. Aber warum sollte sie alleine weiterleben? Warum sollte sie diesen Schmerz auch nur einen Augenblick länger ertragen? Sie musste nur zwei Schritte weitergehen, und sie würde in die tosende, tödliche See hinabstürzen, wo sie sofort an den zerklüfteten Felsen zerschmettert werden würde.
„Kathryn? Kathryn! Nein, das dürft Ihr nicht!“
Sie wandte sich um, als sie die Stimme hörte. Ihr Gesicht leuchtete plötzlich voller Hoffnung auf. Einen kurzen Moment glaubte sie, in dem Mann, der auf sie zueilte, Lorenzo zu erkennen. Aber dann sah sie, dass es Michael war, und sie lief ihm mit rasendem Herzen entgegen. Vielleicht brachte er Neuigkeiten!
„Kathryn!“, rief Michael. Sein Gesicht war sorgenvoll, denn er hatte geglaubt, sie würde springen. „Ich dachte erst, Ihr hättet die Absicht …“
„Bringt Ihr gute Nachrichten?“, fragte sie und streckte flehentlich die Hand nach ihm aus. „Habt Ihr etwas von ihm gehört?“
„Es tut mir leid.“ Er blickte sie traurig an, denn was er zu sagen hatte, würde ihr nur noch mehr Schmerzen bereiten. „Man sagte mir, dass er bei einem Fluchtversuch von einer Kugel getroffen wurde und ins Meer stürzte. Ich glaube, unsere Nachforschungen haben ein Ende.“
„Nein …“ Kathryn stöhnte und geriet ins Wanken, als die Verzweiflung sie überwältigte und ihr die Sinne zu schwinden drohten. „Lorenzo, nein!“ Sie hatte gewusst, dass sie mit einer solchen Nachricht zu rechnen hatte – aber die Einzelheiten zu hören, war dennoch unerträglich. „Mein Liebster …“
Michael zog sie an sich, damit sie nicht zu Boden stürzte. Er hielt sie fest, während sie an seiner Brust schluchzte. Zugleich murmelte er tröstende Worte, die Lippen in ihr duftendes Haar gedrückt.
„Meine süße Geliebte“, sagte er leise. „Vergebt mir. Ich weiß, dass Ihr Lorenzo liebt, aber ich bin hier. Ich könnte Euch lieben und schützen und Eure Wunden heilen.“
„Ich kann nicht …“ Sie blickte zu ihm hoch, die Augen vor Trauer verdunkelt. „Ich werde nie einen anderen lieben – und niemals wieder heiraten.“
„Beruhigt Euch,
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