Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
den Gefallen tun und diese unglückliche Zeit in deinem Leben vergessen. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass du bald wieder heiratest.“
„Ich habe nicht den Wunsch, dies zu tun.“
„Es ist mein Wunsch, dich gut versorgt zu wissen, Kathryn. Die Leute tuscheln schon hinter vorgehaltener Hand über diese seltsame Ehe, aber wenn du dich wieder vermählst, werden sie verstummen. Ich habe vor, bis zum Ende deiner offiziellen Trauerzeit eine Ehe für dich zu arrangieren. Die Vereinbarungen dafür können aber bereits vorher getroffen werden, wenn wir das wollen.“
Kathryn gab ihm keine Antwort. Sie konnte es nicht, aus Angst, dass sie etwas sagte, das ihn verärgern oder verletzen würde. Der Bruch zwischen ihnen würde dann nur noch größer werden. Das, was sie als seine Strenge empfand, betrübte sie zutiefst, und bei seinen letzten Worten war sie den Tränen nahe. Wie konnte er sie dazu zwingen, an eine neue Eheschließung zu denken, wo ihr Herz doch gebrochen war? Es war ein grausamer Vorschlag, und sie vermochte kaum zu glauben, dass der Vater, den sie so liebte, ihr etwas Derartiges antun konnte.
Aber an diesem Abend durfte keiner ihre Tränen sehen. Es sollte eine ganz besondere Feier für ihren Bruder sein, und sie hatte ihn gern. Kathryn hob den Kopf und bereitete sich darauf vor, in die große Halle hinunterzugehen, um die Gäste ihres Vaters zu begrüßen. Sie musste tapfer sein und lächeln, denn Philip sollte mit einem Mädchen verlobt werden, das er bewunderte und mochte.
„Liebst du Mary Jane?“, hatte Kathryn ihren Bruder früher am Tag gefragt.
„Ob ich sie liebe?“ Philip hatte die Stirn gerunzelt und sie seltsam angeblickt. „Ich bin mir nicht sicher, was du unter Liebe verstehst, Kathryn. Ich kenne Mary Jane schon mein ganzes Leben lang, wir sind Freunde. Ich halte sie für ein entzückendes, hübsches Mädchen. Sie wird mir eine gute Gemahlin sein und mir Kinder schenken. Zudem stammt sie aus einer guten Familie und bringt ein kleines Anwesen als Mitgift in die Verbindung. Ich glaube nicht, dass ich mir mehr von einer Ehe erwarten kann.“
Kathryn hatte nicht gewusst, wie sie darauf antworten sollte. Sie hätte sich mit einem solchen Arrangement nie zufrieden geben können, obwohl ihr bewusst war, dass so etwas unter den Männern und Frauen ihrer Gesellschaftsschicht durchaus üblich war. Aber für sie kam es nicht infrage. Obwohl – wenn sie Lorenzo nie kennengelernt hätte … Aber sie hatte ihn kennengelernt! Sie spürte den wohlbekannten krampfartigen Schmerz in ihrer Brust. Sie würde lieber sterben, als mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Sie gehörte zu Lorenzo. Nie würde sie einem anderen angehören können.
Die Verlobungszeremonie war vorüber. Philip und Mary Jane tanzten miteinander, während alle anderen zusahen, zustimmend lächelten und mit den Füßen zum Takt der fröhlichen Musik wippten, die die Musikanten spielten.
„Ihr seid als Nächste an der Reihe, Kathryn“, sagte eine Dame, die links von ihr stand. „Sir John wird bald einen Ehemann für Euch finden, meine Liebe, und Ihr könnt endlich all diese Scherereien hinter Euch lassen.“
„Ich trauere noch um meinen Gemahl, Mistress Feathers.“
„Oh, Ihr werdet bald feststellen, dass ein Mann dem anderen gleicht. Ich war bereits dreimal verheiratet – und sie gaben sich alle nichts. Geld, Macht und Kinder bringen Zufriedenheit. Die Liebe ist lediglich ein Mythos.“
Kathryn spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte und ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. Diese unerträgliche Frau wusste nichts über die Liebe! Sie konnte spüren, wie die Trauer in ihr aufstieg. Keinen Augenblick konnte sie länger in diesem Raum bleiben.
Kathryn wandte sich um und verließ die Halle, die von Gelächter und Musik erfüllt war. Sie ergriff einen Umhang, der achtlos auf eine Truhe im Vorraum abgelegt worden war, und eilte hinaus in die kalte Abendluft. Dann lief sie los, und die Tränen rannen ihr über das Gesicht.
„Lorenzo, mein Liebster“, flüsterte sie in der Dunkelheit. „Komm zu mir zurück … bitte, komm zu mir zurück! Ich kann dieses Leben ohne dich nicht ertragen.“
„Kathryn! Bitte wartet!“
Sie fuhr herum, als sie Michaels Stimme hinter sich vernahm. Sie hatte darauf gehofft, alleine zu sein, aber der einzige Mensch, dessen Nähe sie in diesem Augenblick ertragen konnte, war Lorenzos Kapitän. Er war in Venedig und Rom bei ihnen gewesen. Er verstand sie besser als jeder andere, und er
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