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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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kämen. Engel und Putten konnte man in Auftrag geben,halb verfallene griechische Säulen, Obelisken, eine brennende Fackel, eine mit einem Tuch bedeckte Urne oder gar, wenn man sehr reich war, eine prachtvolle Darstellung der personifizierten Hoffnung, die weinend über einen Felsblock gebeugt saß.
    Es dauerte eine Weile, bis Mrs   Unwin erschien, da sie gerade in einem der Werkräume mit dem Entwurf einer neuen Einnahmequelle beschäftigt war, einem Utensil, das sie auf einem ausländischen Friedhof gesehen hatte: Immortellen – kleine Gebinde aus Trockenblumen unter einer Glaskuppel. Sie legte ihr Versuchsobjekt nur ungern zur Seite, doch als sie sich endlich davon getrennt hatte und den grünen Salon betrat, wäre sie beinahe angewidert zurückgeschreckt. Sie bildete sich nämlich einiges auf ihre untrügliche Nase in Bezug auf die unteren Schichten ein.
    Sie versuchte, so flach wie möglich zu atmen. »Ja, bitte?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
    »Mrs   Unwin, danke, dass Sie uns empfangen.«
    Das Mädchen beim Fenster hatte gesprochen, und tatsächlich, so stellte Mrs   Unwin jetzt fest, bei genauer Betrachtung merkte man ihrem Ton und ihrer Aussprache an, dass sie keineswegs von so derbem Wesen war, wie ihr Aufzug zunächst vermuten ließ. Ihr Gesicht hatte etwas Keusches, einen tiefernsten Ausdruck – und hatte sie dieses Gesicht nicht schon einmal irgendwo gesehen?
    »Was willst du?«, fragte Mrs   Unwin.
    »Verzeihen Sie meine Kühnheit, bei Ihnen vorzusprechen, aber wir sind uns vor einigen Wochen in Brookwood begegnet«, fing Grace an. »Sie waren so freundlich, mir anzubieten, bei Ihnen als Sargbegleiterin zu arbeiten, sollte ich eine Anstellung suchen.«
    »Ah.« Mrs   Unwin zögerte. Das Mädchen besaß genau das richtige, tragisch anmutende Gesicht, um eine trauernde Familie zu ergänzen, und an jungen Frauen, die diskret und vernünftig genug waren, um im Bestattungsgeschäft zu arbeiten, gab es immer Bedarf (die meisten hegten nämlich eine instinktive Abneigung gegen dieses Gewerbe, weil sie glaubten, es bringe Unglück, inmitten der Toten zu arbeiten). Allerdings wollte Mrs   Unwin diesem Mädchen keinesfalls das Gefühl vermitteln, dass sie es brauchen konnte, sonst würde es womöglich mehr verlangen als die paar armseligen Shillinge pro Woche, die sie zu zahlen gewillt war. »Die Dinge haben sich seither ein wenig geändert«, erwiderte Mrs   Unwin daher mit einem zögernden Kopfschütteln, als wolle sie sie abweisen. »Das Beerdigungsgeschäft floriert gerade nicht, und wir haben schon einige gute Sargbegleiterinnen.«
    »Ich kann auch nähen und sticken«, sagte Grace. »Ich bin gewohnt, sehr hart zu arbeiten.«
    Mrs   Unwin gab sich weiterhin unentschieden, obwohl eine Sargbegleiterin, die auch noch sticken konnte, extrem nützlich für sie wäre.
    »Ich bin sehr geschickt im Umgang mit der Nadel«,fuhr Grace eifrig fort, als sie sah, dass Mrs   Unwin zögerte. »Und ich kann Ihnen versichern, dass ich mich mit vorbehaltlosem Einsatz meiner Arbeit widme. Meine Schwester würde Ihnen mit dem selben Eifer dienen.«
    Mrs   Unwin richtete den Blick auf das Mädchen auf dem Sofa und sah ein hoch aufgeschossenes, schlaksig wirkendes Geschöpf mit eckigem Kinn und groben Gesichtszügen, das sich die Arme kratzte, als habe es Flöhe.
Diese
hier hatte jedenfalls nicht die Qualitäten ihrer Schwester. Mrs   Unwin schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber selbst wenn ich für dich eine Stelle hätte, deine Schwester könnte ich unmöglich aufnehmen. Sie hätte nie im Leben das Zeug zu einer Sargbegleiterin.«
    »Aber ich kann nicht ohne sie herkommen!« Grace blickte Mrs   Unwin mit einem Ausdruck der Verzweiflung an. »Sie war noch nie von mir getrennt.«
    »Dann tut es mir leid.« Mrs   Unwin wandte sich ab und schüttelte erneut den Kopf. Nein, wirklich, sie war doch kein Wohltätigkeitsverein, dass sie gleich zwei Mädchen anstelle von einem aufnehmen konnte.
    Und damit wäre die Angelegenheit wohl beendet gewesen, wäre nicht in diesem Augenblick zufällig Mr   George Unwin an dem Raum vorbeigegangen, um etwas mit einem der Steinmetze zu besprechen. Als er seine Frau reden hörte, blieb er (in der Hoffnung, es handle sich um wohlhabende Kundschaft) vor der Tür stehen, um etwas mehr zu hören.
    Grace bemühte sich vergeblich, ihre Fassung zu bewahren. »Bitte«, sagte sie zu Mrs   Unwin, »Sie sind meine letzte Hoffnung. Wir haben keinen Vater mehr, und aufgrund von

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