Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
zusammen.
Das konnte nur Tim sein. Ich überlegte, ob es realistisch war, dass ich nach einer Vollsperrung der Autobahn wegen eines umgefallenen Lasters irgendwo in der Nähe von Frankfurt jetzt schon zu Hause sein konnte und Nudeln kochte. Aber dann war mir alles egal. Tim war hier. Der Spuk war vorbei. Unser Plan hatte nicht funktioniert. Gott sei Dank. Es war die dämlichste Idee, die ich jemals hatte. Wieso hatte ich überhaupt nur einen Moment daran geglaubt, dass Tim mit einer anderen Frau ins Bett gehen wollte?
Viel zu lange drückte ich den Türsummer und wartete dann aufgeregt im Treppenhaus, bis es plötzlich in der Küche zischte, weil das Wasser überkochte. Ich rannte in die Küche, stellte den Topf von der heißen Herdplatte, und als ich in den Flur zurückkam, stand Daniel vor mir.
»Hallo, Karina, wie geht’s?«, fragte er, als wäre es das Normalste der Welt, nachts plötzlich in der Wohnung einer relativ fremden Frau zu stehen, mit der man vor anderthalb Monaten mal ein Interview gehabt hatte.
Völlig entgeistert starrte ich ihn an. Also fuhr Daniel fort: »Du bist heute gar nicht bei unserem Spiel gewesen, deswegen dachte ich, ich schaue mal bei dir vorbei.«
Er sagte es so, als wären wir verabredet gewesen, dabei hatte ich seit unserem Interview nichts mehr von ihm gehört. Genaugenommen hatte ich ihn längst vergessen und überhaupt nicht daran gedacht, dass er heute mit seiner Mannschaft in Köln war.
Ich riss mich zusammen: »Ja, äh, ich war heute in Frankfurt. Aber ihr habt ja auch ohne mich gewonnen. Woher weißt du denn, wo ich wohne?«
Daniel grinste: »Ich kann eben auch ganz gut recherchieren. Kann ich reinkommen?«
»Ja, natürlich.« Ich bot ihm einen Stuhl am Küchentisch an und blieb unentschlossen zwischen Tisch und Herd stehen. »Bist du wegen des Artikels hier? Hat er dir nicht gefallen?«
Daniel sah mich etwas irritiert an. »Nein, Quatsch, ich fand den Artikel super, echt. Eigentlich wollte ich mich noch mal dafür bedanken.«
Dafür hätte zwar auch ein Anruf oder eine E-Mail gereicht, aber bitte, ich nahm auch Samstagnacht um zwanzig vor elf gerne Lob für meine Artikel entgegen.
»Schön«, sagte ich und widmete mich wieder meinen Nudeln. Das Wasser blubberte jetzt zufrieden vor sich hin, und ich las mir die Kochanleitung auf der Nudelpackung durch. Acht bis zehn Minuten kochen. Wieder so eine objektive Zeitangabe. Daniel schaute mir stumm dabei zu, und allmählich wurde ich ungeduldig.
»Daniel, ich will ja nicht unhöflich sein, aber bist du jetzt nur vorbeigekommen, um mir zu sagen, dass dir mein Artikel gefallen hat?« Ich sah ihn fragend an und versuchte gleichzeitig, die Nudelpackung aufzureißen.
Daniel erwiderte meinen Blick eine Weile ernst, dann sagte er: »Nein, ich bin vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass du mir gefallen hast.«
Im selben Moment riss die Packung auf und zerstreute ihren kompletten Inhalt über den Küchenboden.
»Was?« Ich wusste nicht, was mich gerade mehr verwirrte, Daniels Geständnis oder die Nudeln auf dem Boden. Daniel kniete sich hin und fing an, sie aufzusammeln.
Und mit einem Mal sprudelte alles aus ihm heraus: »Der Abend mit dir war total nett. Ich habe mich noch nie so gut unterhalten. Ich weiß auch nicht, du bist mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich wollte dich die ganze Zeit anrufen, aber am Telefon hätte ich bestimmt kein Wort rausgebracht, und deswegen konnte ich es kaum abwarten, endlich nach Köln zu kommen, um dich wiederzusehen. Und weil du nicht bei der Pressekonferenz warst, musste ich eben zu dir kommen.«
Ich starrte wie gelähmt auf seinen Hinterkopf, während er sprach. Plötzlich schaute er mich an und stammelte: »Ich denke, dass ich … ich … ich habe mich wohl in dich verliebt.«
Jetzt kniete ich mich ebenfalls schnell auf den Boden und schob die restlichen Nudeln mit beiden Händen zusammen.
»Das ist … das ist … das ist aber gerade sehr ungünstig«, stotterte ich.
Wie bitte? Was redete ich denn da? Jetzt gerade ungünstig? Es war immer ungünstig, und überhaupt war ungünstig das falsche Wort. Es war, es war, es war nicht möglich, völlig unmöglich, um genau zu sein, unrealistisch, oder nicht richtig. Genau, es war ganz einfach falsch.
»Warum?«, fragte Daniel. »Weil du gerade Nudeln kochst?«
Ich sah ihn verständnislos an, bis ich merkte, dass er nur die Situation etwas auflockern wollte. Wir standen auf und warfen die Nudeln in das kochende
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