Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
Einfach zurück auf den Teller. Daniel starrte mich mit großen Augen und vollem Mund an, und ich fing an zu lachen und sagte, dass er gewonnen hätte. Er hatte ganz klar länger durchgehalten als ich. Wir einigten uns darauf, dass die Nudeln absolut al dente waren und bei der Soße eigentlich nur ein paar Gewürze fehlten. Nachdem wir meinen kläglichen Kochversuch im Mülleimer entsorgt hatten, testete Daniel meine Pizza-Service-Kenntnisse, und ohne auf die Flyer zu gucken, bestellte ich uns auswendig nach Nummern eine Pizza Funghi und eine Capricciosa bei dem einzigen Lieferservice, der um elf Uhr noch geöffnet hatte.
Mit Daniel und der Pizza wagte ich mich sogar wieder ins Wohnzimmer. Wir schauten fern, redeten über Sex and the City , Fußball und Hamburg und Gott und die Welt, und ehe ich mich versah, hatte die objektive Zeit über die subjektive gewonnen, und es war drei Uhr morgens. Daniel hatte es sich schon auf meinem Sofa gemütlich gemacht, aber ich besaß zum Glück so viel Standhaftigkeit, dass ich ein Taxi bestellte und ihn ins Hotel zurückfahren ließ.
Kaum lag ich im Bett, meldete sich mein schlechtes Gewissen mit aller Kraft zurück. An Schlaf war nicht zu denken, stattdessen dachte ich pausenlos an Tim und Mona. Daran, wie sie mit ihren langen blonden Haaren verschwitzt unter ihm lag, ihre schlanken Beine zwischen seinen muskulösen Schenkeln, oder wie sie graziös auf ihm herumturnte, weil Tim zu betrunken war, um noch irgendwelche athletischen Spitzenleistungen zu vollbringen. In regelmäßigen Abständen riss ich die Augen auf, sprang aus dem Bett und nahm die große Wanderung durch meine kleine Wohnung wieder auf. Irgendwann gegen fünf setzte ich mich an den Computer und begann, an meinem Artikel zu arbeiten. Um acht gab ich es wieder auf und erklärte die Nacht für beendet. Am liebsten hätte ich sie aus meinem Gedächtnis, dem Kalender und am besten gleich der gesamten Menschheitsgeschichte gestrichen. Aber was auch immer in dieser Nacht passiert war, war nun mal passiert. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, was genau passiert war.
Um halb neun stand ich vor Tinas Wohnungstür und klingelte Sturm. Nach einer Weile öffnete sie verschlafen.
»Sag mal, hast du einen Schaden, hier mitten in der Nacht aufzukreuzen?« Sie blinzelte mich aus verquollenen Augen an.
»Also gut. Erzähl mir alles haargenau und ohne Rücksicht auf Verluste.«
Ich schob sie zur Seite und ging an ihr vorbei in die Küche. Dort setzte ich einen Kaffee auf, der ihre Gedächtnislücken schließen sollte. Tina folgte mir widerwillig. Sie hockte sich auf einen Küchenstuhl, schlang ihre Arme um die Knie und murmelte im Halbschlaf: »Kann das nicht noch warten, ich bin so verdammt tot, Schätzchen.«
»Nein, es kann nicht warten. Ich habe lange genug gewartet. Ich bin heute Nacht fast gestorben vor lauter Warten. Jetzt sag schon, wie ist es gelaufen?«
Ich tat noch drei gehäufte Teelöffel extra in den Filter und stellte die Maschine an.
»Nicht gut«, krächzte Tina, und um ihre Stimme wieder auf Vordermann zu bringen, zündete sie sich eine Zigarette an.
»Wie, nicht gut?«
Nervös wartete ich, bis sie ihren ersten Zug genommen hatte. Bedeutete »nicht gut« vielleicht »gut«, wenn man berücksichtigte, dass sich meine Erwartungen an diese Nacht komplett ins Gegenteil verkehrt hatten? Oder hatte sich Tim am Ende in Mona verliebt und Tina gestanden, dass er schon längst eine handfeste Affäre mit ihr hatte?
»Na ja, sagen wir mal so, unser Plan hatte einen einzigen Schwachpunkt, und der ist natürlich aufgetreten«, grummelte Tina.
Ich wartete gar nicht ab, bis der Kaffee durchgelaufen war, sondern zog die Kanne unter dem tropfenden Filter hervor und schüttete Tina eine halbe Tasse ein.
»Ein Schwachpunkt? War Mona nicht da?« Mit einem flehenden Blick beschwor ich sie, schneller zu rauchen, zu trinken und endlich zu reden.
»Doch, sie war da. Mit ihrer Freundin.«
Na klar, die Freundin, der Schwachpunkt, das unkalkulierbare Restrisiko. Mona war ja nur eine umwerfend schöne, freundliche und sympathische Kommilitonin von Tim. Aber ihre Freundin war der absolute Hammer und hatte Tim natürlich sofort umgehauen, ihm den Kopf verdreht und ihn in einen heißblütigen Liebhaber verwandelt. Vermutlich planten sie gerade ihr restliches Leben miteinander.
»Ja und? Da hatte er immerhin zwei zur Auswahl«, sagte ich ungeduldig, während Tina langsam ihren Kaffee schlürfte.
Sie sah mich vielsagend an:
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