Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Titel: Geheimnummer. Kein Sex nach Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Leipert
Vom Netzwerk:
wahrheitsgetreu. Spätestens da hätte ich die Flucht ergreifen sollen. Chris erzählte lautstark, wie meine Mutter eigentlich nur kurz bei meiner Fete hereinschauen wollte, um Champagner zu spendieren, und er sie mit seinem Charme umgarnt und zum Bleiben überredet hatte. Ich kannte diese Geschichte in allen Einzelheiten und fragte mich immer noch, wo eigentlich Chris’ Charme ins Spiel gekommen war. Aber vermutlich hielt er wilde Knutschereien auf meinem Balkon für äußerst charmant. Damals wünschte ich mir das vielzitierte Loch im Erdboden herbei, weil mich Freunde und Kollegen auf der Party im Minutentakt fragten, ob das eigentlich meine Mutter sei, die Chris am liebsten gleich dort am Balkongeländer vernascht hätte.
    Jetzt hörte ich nur zu und dachte mir meinen Teil, als dieselbe Tante mich plötzlich fragte: »Und woher kennst du Chris?«
    Ich starrte sie verdutzt an und realisierte die Gefahr erst, als es schon zu spät war.
    »Äh, wir … wir haben uns bei einem Interview kennengelernt«, erklärte ich etwas lahm.
    »Welches sich dann allerdings ziemlich schnell in die Horizontale verlagert hat«, mischte Chris sich zu meinem Entsetzen ein. Ich versuchte ihn mit einem tödlichen Blick zum Schweigen zu bringen. Leider verstand Chris ihn als Frage, und fühlte sich genötigt, unser Kennenlernen weiter auszuführen, so als hätte ich die genaueren Umstände schon vergessen. »Ich meine, ohne unsere kleine Affäre hättest du nie deinen Freund und Job verloren, wärst nie in meine Wohnung eingezogen, und ich hätte deine Mutter nie kennengelernt.«
    Meine Mutter war ganz bleich geworden, und ich versuchte noch einmal laut und deutlich auf das Wesentliche zwischen Chris und mir hinzuweisen: »In erster Linie ging es aber eigentlich vor allem um ein Zeitungsinterview.«
    Zu spät. Was im Raum für alle unüberhörbar stehenblieb, war die Affäre.
    Es herrschte absolute Stille, nur durchbrochen von dem dumpfen Bass aus dem Nebenzimmer. Chris merkte nun auch, dass es manchmal besser war, zu lügen, und er versuchte, unsere Affäre kleinzureden. Zu einem unwichtigen, mittelmäßigen One-Night-Stand, was leider nicht ganz der Wahrheit entsprach. Genaugenommen hatten wir uns einen Monat lang mit ziemlicher Regelmäßigkeit in jeder freien Minute getroffen, die ich meiner Beziehung mit Frank abluchsen konnte, und dann auch eher selten über »American Football als neue Trendsportart in Deutschland« gesprochen.
    Chris war ein schlechter Lügner, und meine Mutter brachte ihn schließlich zum Schweigen, indem sie mich fragte, warum ich ihr nie davon erzählt hatte. Warum eigentlich nicht? Warum hatte ich ihr nicht einfach erzählt, dass ich ihren dreiundzwanzig Jahre jüngeren zukünftigen Ehemann schon mal vorgetestet hatte? Inzwischen wünschte ich mir, ich hätte ihr gleich am Anfang ihrer Beziehung von Chris’ und meiner unrühmlichen Vorgeschichte erzählt, um peinliche Momente wie diesen zu vermeiden.
    Mein Vater, der ewige Diplompädagoge, ging mit einem »Aber Gisela, das ist doch jetzt ganz und gar irrelevant« dazwischen, weil er uns kannte und wusste, was folgen würde.
    Ich ließ ihm nicht den Hauch einer Chance, sondern erwiderte trotzig: »So etwas kann nun mal passieren, wenn du dir deine Ehemänner unbedingt aus meinem Freundeskreis aussuchen musst.«
    Ich hatte das Gefühl, das ganze Schloss hielt plötzlich den Atem an. Selbst die Musik war nicht mehr zu hören. Überall im Raum starrte ich in entsetzte Gesichter. Meiner Mutter fehlten die Worte. Und ich stand schnell auf und floh unter dem Getuschel der Gäste.
    Genau diese Art von Familieneklat wollte meine Mutter vermutlich vermeiden, als sie mir nahelegte, notfalls der Hochzeit fernzubleiben. Und jetzt war es mir doch rausgerutscht, ohne dass ich es auch nur ansatzweise geplant hatte. Ich wollte ihr bestimmt nicht die Hochzeit verderben, aber sie hatte regelrecht darum gebettelt. Ich rannte zur Garderobe, die sich direkt neben dem Ausgang befand, aber die Garderobenfrau war nicht da. Sie rechnete wohl nicht damit, dass einige Gäste so früh wieder gehen würden. Ein bauchnabelhoher Tresen versperrte mir den Weg. Ich versuchte, mich hinüberzuwuchten, vergeblich. Wütend trat ich gegen den Tresen und rief nach der Garderobenfrau, ebenfalls ohne Erfolg. Schließlich beschloss ich, dass ich trotz winterlicher zwei Grad Außentemperatur auch ohne Mantel in meinem eher sommerlichen Umstandskleid eine Taxifahrt nach Köln überleben würde, und

Weitere Kostenlose Bücher