Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
verließ fluchtartig den Wagen. Ich lief zur Haustür, und während ich noch meine Tasche nach dem Schlüssel durchwühlte, strömten mir die Tränen schon über die Wangen.
Tim stieg ebenfalls aus und rief: »Karina, was ist denn los?«
Das reichte. Während Tim auf mich zukam, feuerte ich mein gesamtes Gefühlschaos auf ihn ab. Ich tobte und heulte und konnte selbst nicht verstehen, wie ich so wütend und gleichzeitig so fertig sein konnte.
»Was los ist?! Tim, wir hatten etwas Besonderes, auch ohne Baby. Du bist verdammt nochmal etwas Besonderes für mich. Ich war glücklich mit dir, aber du wolltest nicht mehr. Du hast unsere Beziehung beendet, nicht ich! Du mit deiner blöden Eifersucht. Und wenn du jetzt unbedingt dein Gewissen beruhigen musst, weil du den ganzen beschissenen Tag mit deiner aufgetakelten Blondine vor meiner Nase herumstolzieren musstest, dann lass mich gefälligst aus dem Spiel. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, aber ich liebe dich trotzdem! Wenn dir das nicht passt, dann lass mich ab jetzt einfach in Ruhe. Du hast ja keine Ahnung, wie …«
Ich hätte vermutlich ewig so weitergetobt, wenn Tim mich nicht plötzlich unterbrochen hätte – mit einem Kuss. Er presste einfach seinen Mund auf meinen, und ich war still. Fühlte Tims warme Lippen, während mir tausend Gedankensplitter durch den Kopf schossen. Ich brauchte ewig, um überhaupt zu verstehen, was gerade passierte. Es war definitiv ein Kuss. Ein echter, ehrlicher Kuss. Von Tim. Er hielt meinen Kopf mit beiden Händen fest und gab mir gar keine andere Möglichkeit, als seinen Kuss zu erwidern. Dann ließ er mich plötzlich genauso abrupt los, und wir sahen uns reichlich verwirrt an, als wüsste Tim selbst nicht, was er gerade getan hatte.
»Ich war noch nicht fertig …«, sagte ich schließlich kleinlaut.
»Ich auch nicht«, grinste er. Und diesmal traf mich sein Kuss nicht mehr so unvorbereitet. Es war wie unser zweiter erster Kuss. Erste Küsse waren schon etwas Besonderes. Eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude. Erkundungen mit der Zunge, die nicht immer harmonisch verliefen, weil man noch keinen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatte. Zweite erste Küsse waren unbeschreiblich. Unser Kuss besaß die ganze Aufregung des ersten Mals, die ganze Vertrautheit unserer Beziehung und die ganze Sehnsucht der verlorenen Zeit dazwischen. Wir erforschten alles noch einmal, wieder und wieder, bis wir beide atemlos nach Luft schnappten.
Zweite erste Küsse waren traumhaft, nur noch übertroffen von der zweiten ersten gemeinsamen Nacht.
Hochzeitsnacht
Erst als wir später müde und erschöpft in meinem Bett lagen, konnten wir beide wieder einen klaren Gedanken fassen.
»Meinst du, sie werden mich auf der Hochzeit vermissen?«
So eine Frage konnte auch nur Tim so absolut unschuldig und ernst stellen, während er gerade nackt neben seiner Exfreundin lag und seine Freundin seit zwei Stunden am Hochzeitsbüfett auf ihn wartete.
Ich schaute ihn belustigt an. »Nein, ich denke, Susanne hat in ihrer Zeitplanung schon berücksichtigt, dass du noch mal eben mit mir ins Bett steigst, bevor du zurückkommst.«
Tim nickte etwas zerknirscht: »Ich bin so ein Arschloch.«
»Allerdings«, zog ich ihn weiter auf. »Aber ich lasse dich trotzdem nicht mehr zu ihr zurück.«
»Ich will auch nicht mehr zu ihr zurück.« Er drückte mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. »Du hast mir so gefehlt, Karina.«
Ich bekam eine Gänsehaut. »Du mir auch«, flüsterte ich in die Kuhle zwischen seinem Hals und seiner Schulter. »Es tut mir alles so leid, Tim. Diese Geschichte mit Daniel und dass ich dir die ganze Zeit nichts von der Schwangerschaft erzählt habe … Ich wollte dir nicht weh tun.« Ich schniefte, weil ich schon wieder kurz davor war, loszuheulen.
Tim sah mich überrascht an: »Wo kommen denn die Tränen plötzlich alle her? Das kenne ich von dir ja gar nicht.«
Ich weinte und lachte und stammelte: »Ich weiß auch nicht. Das muss an den Hormonen liegen. Ich meine nur, ich habe so viel Mist gebaut in letzter Zeit …«
»Du hast schon immer viel Mist gebaut«, unterbrach Tim mich, und ich boxte ihn leicht in die Schulter, so dass er zugab: »Aber diesmal habe ich auch Mist gebaut. Ich hätte dich nie allein lassen dürfen. Dich und das Baby.« Er strich gedankenverloren über meinen Bauch. »Wenn du damals nur einen Ton gesagt hättest, dann …« Er verstummte und küsste meinen Bauchnabel.
Ich atmete tief durch.
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