Geheimprojekt Styx
dich auf, Mike“, sagte sie dann nur und beugte sich nach vorne über den Tisch, um seine Hand zu nehmen. „Bah, voller Öl!“, rief sie aus und packte Hendricks dann am T-Shirt und zog ihn zu sich herunter, damit sie ihn auf den Mund küssen konnte. „Und nun geh unter die Dusche und dann ab in den Flieger nach London.“
Hendricks nickte nur und blieb in der halb geöffneten Tür stehen. „Wenn das hier alles vorbei ist, machen wir Urlaub.“
„Und heiraten.“
„Das auch.
Sanchez lächelte ihn liebevoll an. „Ich liebe dich, Mike.“
„Ich dich auch, Nad.“ Und es waren keine leeren Worte, die die beiden austauschten. Selbst nach fast neun Jahren war ihre Beziehung noch immer so frisch wie nach dem ersten Monat. Sanchez vermutete, dass dies daran lag, dass Hendricks immer mal wieder für einige Wochen weg war, doch Hendricks selbst vermutete eher, dass es an der sonst recht klischeehaften „Liebe des Lebens“ lag.
Doch am Ende spielte es für die beiden keine Rolle.
Auf dem Weg zu seiner inzwischen fast leergeräumten Wohnung hatte Hendricks tatsächlich etwas Zeit, über die vergangenen Tage nachzudenken. Wie für ihn üblich, versuchte er so rasch wie möglich wieder zur Tagesordnung überzugehen, weshalb ihm das Treffen mit dem Mann des Außenministeriums ganz recht war. Er rief Boratto an, der im Moment auf dem Weingut unterwegs sein musste und wohl das Verladen von Hendricks' persönlicher Habe beaufsichtigte.
Hendricks nahm die letzte seiner fertiggepackten Reisetaschen vom Boden des Ankleidezimmers, das inzwischen leergeräumt worden war, und betrachtete seine Erscheinung im Spiegel. Er sah wie ein Mechaniker einer Autowerkstatt für Oldtimer aus. Lediglich der Gürtelholster mit der Walther P99 verzerrte das Bild etwas.
Er duschte rasch, wusch den Schmutz ab, dann tauschte er seine Arbeitskleidung gegen einen Anzug, bei dem er, wie für ihn so typisch, die Krawatte einsparte, und eilte dann in Richtung Eingangshalle, wo bereits Boratto auf ihn wartete. Der Brasilianer trug einen grauen Anzug, dazu ein weißes Hemd ohne Krawatte und unter dem Jackett war die schwarze Schulterstütze einer Maschinenpistole zu erkennen.
„Wie immer bist du schneller als jeder andere“, brummte Hendricks mit dem Anflug eines schwachen Lächelns.
„Das ist mein Job, Mike.“ Boratto blickte durch die halbgeöffnete Doppeltür. „Wollen wir?“
Hendricks nickte nur.
Rund neun Stunden später stand Tobias Brauer vor den Mercedes S-Klassen, die auch schon Frank Howell abgeholt hatten, und wartete darauf, dass die Gulfstream mit Hendricks an Bord landete. Brauer war nervös, er wusste nicht so recht, wie er mit Hendricks umgehen sollte. Nicht weil der Mann nun sein Chef war, sondern weil sein Vater frisch verstorben war. Er entschied sich dafür, diesen Teil schlicht auszusparen und direkt zum geschäftlichen Teil überzugehen,
Zumindest ging Brauer davon aus, dass dies die richtige Vorgehensweise war. Denn er hatte Hendricks nie anders kennen gelernt. Sei es damals gewesen, als der zu dem Zeitpunkt noch bedeutend jüngere Hendricks Brauer rekrutiert hatte, oder Jahre später, als sie zusammengearbeitet hatten, um einen wichtigen Manager bei seiner Segeltour rund um den Globus zu schützen. Brauer hatte Hendricks immer als einen konsequenten, zielstrebigen Mann erlebt, ahnte jedoch nicht, dass sein Chef nicht immer so sicher in seinem Handeln war, wie er es stets suggerierte.
Nur Sanchez wusste dies, und so würde es auch bleiben.
„Ah, die Gulfstream, wird aber auch Zeit“, dachte Brauer laut und ging forschen Schrittes auf die langsam ausrollende Maschine zu. Die rund eineinhalb Dutzend Personenschützer, die sich weit gefächert über die Rollbahn verteilt hatten, blieben, wo sie waren. Brauer war davon ausgegangen, dass Hendricks sein eigenes Sicherheitsteam mitbrachte, umso überraschter war er, als sich die Seitenluke senkte und ein Mann mit dunklem Teint und leichtem Sommermantel über dem Anzug erschien. Die kurze MP7-Maschinenpistole trug er dezent vor dem Körper, bereit, jeden Moment die Waffe zu heben. Nach dem Mann verließ Hendricks die teure Maschine, und als niemand mehr folgte, fragte Brauer sich, wieso das Sicherheitsteam nur aus einem Mann bestand.
Doch allein dieser Umstand verriet, dass der Mann im Sommermantel sehr fähig sein musste.
„Ah, Poseidon“, grüßte Hendricks Brauer mit seinem Spitznamen, den er damals bei den deutschen Kampfschwimmern erhalten hatte, und
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