Geheimrezept zum Glücklichsein
sich wohler gefühlt, wenn sie langweilig oder unscheinbar gewesen wäre. Für gesellschaftliche Anlässe bevorzugte er kultivierte Frauen, aber als Mitbewohnerin – als Untermieterin, korrigierte er sich entschieden – wäre ihm eine langweilige Person lieber gewesen.
Das Problem war – so still und unaufdringlich sie sich auch fast den ganzen Tag verhielt –, dass sie mit ihren spritzigen, überschäumenden Gesprächen, ihrem blendenden Lächeln, ihrer bunten Kleidung einfach nicht zu ignorieren war. Besonders auch, da sie niemals etwas anzuziehen schien, das mehr als zehn Prozent von ihr verhüllte.
So ärgerlich und unangenehm es auch war, einen Eindringling in seinem Heiligtum zu haben, konnte Nathan sich nun, da er allein war, mit dem Wind in den Haaren und auf dem Gesicht, vielleicht eingestehen, dass es Spaß brachte.
In den letzten Jahren hatte er sich nur wenig Spaß gegönnt. Die Arbeit war und blieb vorrangig für ihn. Das Bauen nahm seine Zeit in Anspruch. Er hatte die Verantwortung nie bereut. Hätte ihn jemand gefragt, ob ihm seine Arbeit Spaß machte, hätte er denjenigen erstaunt angeblickt und erwidert: Natürlich. Warum sonst sollte ich sie tun?
Er hätte über den Ausdruck »besessen« die Stirn gerunzelt, obwohl er besessen war. Er konnte sich im Geist ein Gebäude vorstellen, vollständig, bis hin ins letzte Detail, aber er betrachtete sich nicht als Künstler. Er war ein Profi, ausgebildet und erfahren, nicht mehr und nicht weniger.
Er liebte seinen Beruf und schätzte sich glücklich, eine Beschäftigung gefunden zu haben, für die er Geschick sowie Passion besaß. Nichts hatte ihm jemals so viel Zufriedenheit vermittelt wie die Vollendung eines seiner Bauwerke.
Dass er in seiner Arbeit aufging, bedeutete nicht, dass es seinem Leben auf anderen Gebieten an etwas mangelte. Es lag einfach daran, dass kein anderer Bereich denselben Reiz auf ihn ausübte. Er genoss die Gesellschaft von Frauen, hatte aber noch nie eine kennengelernt, die ihn nachts so wach halten konnte wie Konstruktionsprobleme eines Gebäudes. Es sei denn, er zählte Jackie mit. Doch das wollte er nicht.
Nathan blinzelte in die Sonne, drehte dann ab, bis er ihre Wärme im Rücken spürte. Das Stirnrunzeln blieb jedoch.
Ihre Gespräche waren wie Puzzlespiele, die er sortieren musste. Seit Jahren hatte ihn niemand zu so komplizierten Gedankengängen angeregt. Jackies ständige Fröhlichkeit wirkte ansteckend. Es wäre dumm zu leugnen, dass er seit seiner Kindheit nicht mehr so gut gegessen hatte – und vermutlich selbst damals nicht.
Sie hat ein reizvolles Lächeln, dachte Nathan, während er einen Seitenarm des Kanals entlangsteuerte. Und ihre Augen waren groß und dunkel. Dunkel, ja, aber sie hatten diese Eigenart, sich zu erhellen, wenn sie lächelte, und dazu war ihr voller Mund stets bereit.
Nathan ermahnte sich. Ihre körperlichen Attribute spielten keine Rolle, sollten es zumindest nicht.
Jener Moment der Berührung war Zufall gewesen. Und er übersteigerte zweifellos die Bedeutung dessen. Es mochte eine flüchtige Anziehungskraft bestanden haben, das war nur natürlich. Aber gewiss war nicht die Zuneigung vorhanden, die er sich eingebildet hatte. Er glaubte nicht an solche Dinge. Liebe auf den ersten Blick war eine Annehmlichkeit, die Schriftsteller benutzten – gewöhnlich schlechte. Und unmittelbares Verlangen war nur ein beschönigender Name für Begierde.
Was immer er gefühlt hatte, war nichts weiter als ein vager und vorübergehender Reiz, rein körperlich und leicht zu unterdrücken.
Er konnte Jackie beinahe über ihn lachen hören, obgleich er allein auf dem Wasser war und die Ufer verlassen dalagen.
Es dunkelte bereits, als Jackie das Boot ans Ufer kommen hörte. Sie war sicher, dass es Nathan war. Seit zwei Stunden waren all ihre Sinne auf seine Rückkehr eingestimmt. Eine Woge der Erleichterung überlief sie. Er hatte also keinen der schrecklichen Bootsunfälle erlitten, die sie sich im Geiste schon ausgemalt hatte. Er war nicht entführt worden. Er war zurück, gesund und wohlbehalten.
Zwölf Stunden, dachte sie, während sie kopfüber in den Pool sprang. Er war beinahe zwölf Stunden fortgeblieben. Der Mann kannte offensichtlich keine Rücksicht.
Natürlich hatte sie sich nicht um ihn gesorgt. Sie war viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, um ihm mehr als einen flüchtigen Gedanken zu widmen – alle fünf Minuten in den letzten zwei Stunden.
Jackie begann, in einem steten
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