Gehetzt - Thriller
lassen uns stän dig zusammen in irgendwelchen Restaurants blicken. Die Leute fangen schon an, über uns zu reden.« Sie stieg in ihren Wagen, kurbelte das Fenster herunter und ließ den Motor an.
»Ist mir doch egal«, nölte Renfro in breitem Texanisch. »Lass uns zu Harbingers fahren.« Er klopfte mit einem Fingerknöchel aufs Dach ihres Streifenwagens. »Wie ich gehört habe, stehen heute Schweinekoteletts auf der Tageskarte.«
Beim Essen stellte Renfro die Laut stärke seines Funkgerätes auf gerade noch hörbar und stellte es aufrecht auf die goldgesprenkelte Resopaltischplatte direkt neben den Metallständer mit den beiden ordentlich aufgeschichteten Tütchenstapeln in der Mitte und den rechts und links davon stehenden leicht schmierigen, gläsernen Salz- und Pfefferstreuern. Die Tütchen mit richtigem Zucker waren weiß, die mit dem künstlichem Zeug, das den Leuten vorgaukelte, sie würden
davon abnehmen, das vor allem aber bei Ratten Krebs verursachte, waren rosa. Renfro war einer dieser dürren Typen, die spachteln konnten, als stünde nächsten Sonntag das Jüngste Gericht bevor, ohne auch nur ein Gramm zuzulegen. Diane, die nicht dürr war, aber schlank und sportlich, hatte eben falls einen gesunden Appetit und nichts gegen ein ordentliches Steak einzuwenden. Und wenn es mit sahniger Bratensoße serviert wurde, sagte sie sicher nicht nein.
»Der gan ze Fußboden übersät mit gutem Essen.« Renfro schob sich ein Stück Brötchen in den Mund. »Was ist bloß in solche Leute gefahren?«
»Die Freuden der Ehe«, entgegnete Diane und sah Renfro vielsagend an.
»Meine Eltern sind immer noch verheiratet und lieben sich. Das gibt es auch.«
»Verdammt selten.«
»Willst du denn dein gan zes Leben al lein verbringen, nie Kinder haben, einer Familie und alldem nie eine Chance geben? Wovor hast du Angst?«
»Vor dir jedenfalls nicht, das steht fest.« Sie hatte das Gefühl, dass ihr Lächeln ge nau das zum Ausdruck brachte, was es war: reine Selbstverteidigung.
Renfro warf ihr einen Blick zu, der ihr bedeuten sollte, dass er es nicht ernst gemeint hatte, dass es nichts war, worüber man sich aufregen musste.
Diane senkte ihre Stimme zu einem Flüstern und beugte sich zu ihm herüber, als ob sie einen Diamantenraub planten. »Und? Hast du irgendwas gehört?« Inzwischen waren fast sechs Monate vergangen, seitdem sie die Leichen am See entdeckt hatte, und der Be zirksstaatsanwalt und der Sheriff hatten keine Zeit verloren, einen zwielichtigen Speed-Freak namens Rick Churchpin für die Tat zu verhaften. Sie hatten ihn in Rekordzeit vor Gericht gebracht und einen Zahn-Forensik-Experten
aufgeboten, der bestätigt hatte, dass die Bissspuren an den Opfern mit den Zahnabdrücken von Churchpins Gebiss übereinstimmten. Außerdem hatten sie ein paar junge Mexikaner aufgetan, die der Jury erzählt hatten, dass sie Churchpins Chevy Nova repariert und ihm den Wagen am Nachmittag vor den Morden zurückgegeben hatten. Am Tatort waren Reifenspuren gefunden worden, die mit denen des Novas übereingestimmt hatten. Am erdrückendsten war jedoch gewesen, dass Sheriff Lowe selbst in den Zeugenstand getreten war und auf die Bibel geschworen hatte, dass Churchpin die Verbrechen während seiner Untersuchungshaft im Bezirksgefängnis gestanden habe. Wie es der Zufall gewollt habe, sei der diensthabende Hilfssheriff an jenem Abend erkrankt und vor zeitig nach Hause gegangen, und er, Lowe, habe ihn abgelöst, weil er zufällig so spät noch in seinem Büro ge wesen sei und gearbeitet habe. Er habe Churchpin aus dessen Zelle gelassen und dem Angeklagten befohlen, den Zellentrakt zu wischen, als Churchpin plötzlich von dem Drang überwältigt worden sei, ein Geständnis abzulegen. Und so habe er, Sheriff Lowe, in den frühen Samstagmorgenstunden neben dem jungen Churchpin auf dem Betonboden des Ge fängnisses gekniet und schockiert zugehört, wie Churchpin ihm mit tränenüberströmtem Gesicht detailliert geschildert habe, was sich in der Mordnacht zugetragen habe. Der Angeklagte habe nichts unterschreiben, sondern ihm, Sheriff Lowe, lediglich sein Herz ausschütten wollen. Und er habe nicht riskieren wollen, das Geständnis zu unterbrechen, um eine Videokamera zu ho len und ein zuschalten, weil er sich sicher gewesen sei, dass die Kamera Churchpin zum Verstummen gebracht hätte. Als die Verteidigung Einspruch erhoben hatte, da es sich um eine Aussage handele, die auf Hörensagen beruhe, hatte der Richter klargestellt, dass er die
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