Gehetzt - Thriller
›rühren‹ oder ›bequem stehen‹ oder was auch immer.« Diane schob sich Kartoffelpüree in den Mund, doch sie konnte an nichts anderes denken als an den verflixten Wunsch, Renfro zu küssen. Er war der beste Küsser, der ihr je begegnet war. Nicht dass sie auf dem Gebiet eine Expertin wäre. Manch mal dachte sie, dass er viel leicht so gut küsste, weil er sie liebte. Jedenfalls verhielt er sich so. Das machte ihr Angst. Das Letzte, was sie auf der Welt wollte, war eine ernst hafte Beziehung, die wo möglich darauf hinauslief, dass es Trä nen gab, man sich ge genseitig total fertigmachte und sich im Hass voneinander trennte. Vergiss es.
»Ein bisschen empfindlich heute Abend, was?«, fragte Renfro.
»Kann schon sein.«
»Aber nicht empfänglich für ein paar Streicheleinheiten?« Er betrachtete sie mit diesem für ihn typischen Blick.
Sie sprang nicht an.
»Verdammt, Diane. Was liegt dir denn auf der Seele?«
»Lowe ist ein Verbrecher!« Mehrere Köpfe drehten sich zu
ihnen um. Diane senkte die Stimme. »Du weißt es, so wahr wir hier sitzen.«
»Mag ja sein, aber ich bin nicht so dumm, eine große Sache daraus zu machen. Ich danke einfach nur dem lieben Gott, dass ich meinen Hilfssheriff-Stern abgegeben und in den Sack gehauen habe, bevor der Idiot sein Amt angetreten hat. Die Hilfssheriffs in dem Bezirk tun mir leid. Wenn du mich fragst, ist es um Längen besser, bei der Stadtpolizei zu sein.«
Renfro hatte sie ein mal gefragt, wann sie zum ersten Mal daran gedacht hatte, Polizistin zu werden, doch sie hatte ihm nicht verraten, dass es gewesen war, als sie in der siebten Klasse gewesen und nach Hause ge kom men war, nach dem ihre Mutter im Schlafzimmer gerade einen Freier bedient hatte und Diane in der Haustür beinahe mit dem Typen zusammengestoßen wäre. Sie hatten sich für ei nen unerträglich langen Augenblick angestarrt. Vor Scham hatten Dianes Wangen die Farbe der Oleanderbüsche angenommen, die draußen neben der Veranda gestanden hatten. Und so verlegen und schockiert sie gewesen war, so cool und unbekümmert wie ein großer Hund war der Freier gewesen. Er hatte sie angesehen, als wäre sie Dreck, und sie hatte ihm hinterhergesehen, wie er hinaus zu seinem Toyota-Pickup stolziert war, eine dieser popeligen Karren, die die Be zeichnung Pickup eigentlich gar nicht verdienten. Diane hatte dem wegfahrenden Wagen hinterhergestarrt und gedacht: Warte nur, du Arschloch. Irgendwann würde er ihr Respekt erweisen, eines Tages, wenn sie es dann überhaupt noch wollte. Jeder in Overton würde sie respektieren. Außer vielleicht ihre Mutter. Ihre Mutter respektierte nichts und niemanden, nicht einmal sich selbst.
»Renfro«, sagte sie jetzt, »Sheriff Gib Lowe ist kein Idiot. Er ist der Teufel in Person.«
»Ach, komm, Diane.« Renfro zwinkerte ihr zu. »Hier glauben alle, er verrichte das Werk des Herrn.«
»Indem er Rick Churchpin in den Todestrakt schickt? Eine Superermittlungsarbeit. Herrgott noch mal!«
»Churchpin ist ein verdammter Widerling. Erzähl mir nicht, dass er dir leidtut.«
»Niemand tut mir leid. Aber er hat diese Morde nicht begangen.«
»Ich bin mir da nicht so sicher.«
»Haben sie mich etwa in den Zeugenstand gerufen? Ich war am Tatort, verdammt noch mal! Der Mörder war weiß, Rick Churchpin ist nicht weiß. Er sieht dem Typen, den ich gesehen habe, nicht ansatzweise ähnlich. Ich fasse es nicht, dass diese Arschgeige von Al Swerd ney die Dreis tig keit besitzt, sich Bezirksstaatsanwalt zu schimpfen. Da marschiere ich bei ihm auf, erzähle ihm, was ich gesehen habe, und er speist mich damit ab, der Fall sei auch ohne meine Aussage in trockenen Tüchern. Er wolle nichts tun, was die Jury verunsichern könne. Verdammter Schleimscheißer!«
»He«, sagte Renfro mit gedämpfter und besänftigender Stimme, »das haben wir doch alles schon durchgekaut. Beruhige dich. Die Sache ist es nicht wert, sich im mer wieder darüber aufzuregen. Churchpins Anwälte werden das Urteil anfechten, da bin ich sicher. Vielleicht kommst du dann dazu, deine Aussage zu machen.«
»Super! Als Zeugin der Verteidigung? Um der Staatsanwaltschaft den Fall zu vermasseln? Damit mache ich mich garantiert zu ei ner Lachnummer. Und kann jede Chance auf Beförderung vergessen. Soll ich dir was sagen? Ich bin drauf und dran, meinen Job zu schmeißen. Ist doch alles nur ein Haufen Pferdescheiße. Vielleicht werd’ ich lieber Anwältin.«
»Als ob das nicht der gleiche Haufen Pferdescheiße wäre, nur mit
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