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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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still liegen, stand nicht auf. Wenn sie nicht schlafen konnte, wollte sie ihrem Körper wenigstens äußerlich Ruhe gönnen. Lieg bewegungslos im Bett, konzentrier dich darauf, dich zu entspannen, versuch, deine Energie zu sparen, und hoff auf irgendeine Art Revitalisierung.
    Wenn sie es schaffen wollte, wenn sie wirklich und ernsthaft frei sein woll te, stan den ei nige Entscheidungen an. Sie musste vorausplanen, vorsichtig sein, sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen. Objektivität war zwingend geboten. Das war ei ner der gro ßen Unterschiede zwischen der Gail, die erwischt und eingesperrt worden war, und der Gail, die jetzt draußen war, zu rück in der Welt. Es hing zu ei nem großen Teil von ihr selber ab, ob sie zurück in den Knast wanderte oder nicht. Natürlich, blindes Glück konnte es auf beiden Seiten geben: Irgendein Bulle konnte über sie stolpern und die Gelegenheit beim Schopf greifen. Oder auch nicht. Glück spielte definitiv eine Rolle. Aber sie musste alles in ihrer Macht Stehende tun, um solche Situationen zu vermeiden. Was bedeutete, dass sie Diane nicht folgen durfte. Was bedeutete, Diane ihrem eigenen Schicksal zu überlassen. Was bedeutete, ihre Freundin im Stich zu lassen.
    All die Jahre, in denen sie keine Entscheidungen hatte treffen müssen. In denen sie gar nicht die Möglichkeit gehabt hatte, eine Entscheidung zu tref fen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Alles war für sie ge regelt worden. Man hockte im Gefängnis und konnte nirgendwohin. Man hat gegessen, was man vorgesetzt bekam. Man war hingegangen, wohin zu gehen befohlen wurde, und hat getan, was verlangt wurde. Obwohl man wusste, dass sie Schwachköpfe waren, Sklaven, die
die Hosen voll hatten, unfähig, jenseits der Gefängnismauern etwas auf die Beine zu stellen. Was sie am besten konnten, war, an der Zitze der Regierung zu saugen, und sie kämpften untereinander um den Nippel wie ein Wurf Ferkel. Und die erzählten einem, was man zu tun hat te und wann man es zu tun hatte. Aber die Gedankenfreiheit konnten sie einem nicht nehmen. Und das war jetzt ge nau das Problem. Gail wusste, dass sie eine weitreichende Grundsatzentscheidung treffen musste. Wenn es keine oder kaum Aussicht gab, in Aktion zu treten, konnte man denken, was man wollte, und reden war billig. Doch jetzt musste sie ihren Gedanken Taten folgen lassen. Wenn sie etwas nachdrücklich verspürte, wenn sie von etwas überzeugt war, musste sie entsprechend handeln oder das, wovon sie überzeugt war, verwerfen und sich eingestehen, dass es nicht länger ihre Überzeugung war, son dern nur noch eine vage Vermutung.
    Diane war ihre Freundin. Diane hatte sie aus dem Gefängnis geholt. Wenn Diane nicht gewesen wäre und sie nicht den Baum hochgezogen hätte, wenn sie sie nicht durch die Wälder getrieben, nicht ihre Verletzung bandagiert und nicht die Schmutzarbeit in ihrem Kampf ums Überleben erledigt hätte, würde sie, Gail, immer noch mit hohlen Händen in ihrer Zelle sitzen und versuchen durchzuhalten, während sie zusah, wie ihr Leben wie Wasser durch ihre Finger rann.
    Wenn sie Diane jetzt hinterherfuhr, würde sie ihre Freiheit aufs Spiel setzen.
    Sie sah erneut auf die Uhr. Mr. ID hatte versprochen, früh vorbeizukommen. Er würde ihr einen Reisepass mitbringen. Damit könnte sie überall hin. Nach Europa. Nach Asien. Oder auf irgendeine unberührte, abgelegene Insel, wo es all dieses Plastikzeug nicht gab, wo es nicht dau ernd piepte und summte und die Luft nach grüner Natur roch.
    Früh war gut. Je früher, desto besser. Wenn sie Diane folgte
und geschnappt werden würde, wäre es eine Art Verrat. Verrat an Mel, an Chris und Michelle, an Rick Reed und an Tom. Vor allem an Tom. Wohin sie ihn wohl gebracht hatten? Sich unnötig in Gefahr zu begeben, wäre ein Vertrauensbruch.
    Gail konnte verschwinden. Es stand ihr frei zu gehen. Niemand würde es ihr verübeln. Am wenigsten Diane.
     
    Diane fuhr langsam die enge Straße entlang. Da stand Efirds Wohnwagen, ein alter, maroder, türkis-weißer Champion, abgestellt auf einer kleinen Lichtung am Ende der kurvigen Schotterstraße. Eins stand fest: Er hatte dafür Sorge getragen, dass er so tief wie möglich in der Pampa gelandet war. Diane hatte meilenweit kein Anzeichen irgendeiner Ansiedlung gesehen. Ein paar Meter entfernt von einem treppenartigen Gebilde, das in den Wohnwagen führte - mit silberner Farbe besprühte Holzplanken, die über Schlackenbetonsteine gelegt waren -, standen die rostigen

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