Gehetzt - Thriller
ein, der an dem verlassenen Bauernhaus vorbei zu der Scheune führte, und hielt neben Renfros Wagen. Er sah sie an, als ob sie jemand wäre, von der er glaubte, sie schon mal gesehen zu haben, sich aber nicht ganz sicher war. Während er die Tür öffnete, lächelte er nervös. Diane stellte den Motor ab, stieg aus
und ging um ihren Wagen herum zu seinem. Er lehnte an der Fahrertür. Jetzt endlich schien er sie zu erkennen und breitete die Arme aus. Sie ließ sich ge gen ihn fallen, und er zog sie eng an sich und drückte sein Gesicht an ihren Hals. Sie hörte ihn »Gott sei Dank« flüstern, »Gott sei Dank«, und hät te in seinem Geruch ertrinken können, wie sie so dastand, in der Geborgenheit seiner kräftigen Arme. Und zum ersten Mal, seitdem sie sie ins Gefängnis gebracht hatten, erlaubte sie sich zu füh len, was für ein guter und sympathischer Mann er war und wie sehr sie ihn tatsächlich vermisst hatte.
»Das hast du gut hingekriegt«, sagte er. »Wenn ich dir auf der Straße begegnet wäre, hätte ich dich womöglich nicht erkannt.« Er wuschelte ihr durchs Haar. »Ist allerdings ein bisschen kurz.«
»Das hat sich durch die ständige Veränderung irgendwie so ergeben«, entgegnete sie. »Wenn ich mein Aussehen noch mal verändern muss, bleibt mir vermutlich nur noch eine Perücke oder ein Irokesenschnitt.«
»Wollen wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird.«
Gail legte einen Zwischenstopp am Empfangstresen ein, um nach einer Laufkarte zu fragen. Der Rezeptionist, ein adretter junger Mann mit einem makellos gepflegten Äußeren, zog eine Karte hervor und breitete sie vor ihr aus.
»Wie weit wollen Sie denn laufen?«
»Ich denke, zwei Kilometer sollten für heute Abend reichen«, erwiderte Gail und dachte, dass die richtige Antwort lauten müsste: Bis sie aufhören, mich zu jagen.
KAPITEL 16
Diane schloss behutsam das Protokoll und legte es zwischen sich und Renfro auf den Sitz. Es enthielt Sheriff Lowes Zeugenaussage sowie die des von der Staatsanwaltschaft einbestellten forensischen Zahnmediziners. Die weiteren Schriftsätze befanden sich in einer Tasche auf der Rückbank. An die zweitausend Seiten Verhandlungsprotokolle. Nichts als die Wahrheit, mit Tinte zu Papier gebracht. Die Son ne war gerade am Horizont versunken, der Himmel verfärbte sich lavendelfarben. Sie sah Renfro missmutig an. Er zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie. »Du hast doch ge sagt, diese Protokolle würden beweisen, dass sie Churchpin die Sache angehängt haben.«
Er verlagerte sein Gewicht und lehnte sich gegen die Beifahrertür.
»Dass sie etwas beweisen, habe ich nicht behauptet«, entgegnete er. »Ich habe gesagt, ich glaube, dass du recht hast und sie ihm die Sache angehängt haben. Das glaube ich in der Tat. Hast du die Zeugenaussage des Odontologen gelesen?«
»Was auch immer das ist.«
»Die Bissspuren an ei nem der weib lichen Opfer sollen mit Churchpins Zähnen übereingestimmt haben.«
»Ach so, dann weiß ich, von wem du sprichst.«
»Ich habe im Internet recherchiert und ihn gegoogelt. Er ist ausgebildeter Zahnarzt und außerdem, wie sie es nennen, Anwärter beim ABFO, dem American Board of Forensic
Odontology, jenem Institut, das Zahnärzten die offizielle Bestätigung verleiht, als forensische Odontologen tätig werden zu dürfen. Aber unserer hier ist noch da bei, Punkte zu sammeln, um die Prüfung überhaupt ablegen zu dürfen. Sie müssen eine gewisse Anzahl von Punkten erreichen, bevor sie die Prüfung ablegen können. Eine Möglichkeit, Punkte zu sammeln, besteht darin, als Gutachter vor Gericht aufzutreten.«
»Sollten sie die Prüfung nicht eigentlich abgelegt haben, bevor man ih nen erlaubt, als Gutachter vor Ge richt auf zutreten?«
»Erscheint mir auch hanebüchen. Aber mich hat etwas anderes stutzig gemacht. Was meinst du, wo der Typ zur Highschool gegangen ist?«
Diane zuckte mit den Schultern.
»In Round Rock.« Renfro beugte sich zu ihr hinüber und kam ihr so nahe, dass sie dachte, er wolle sie küssen. »Abschlussjahrgang 1976«, ergänzte er. »Was meinst du, wer auch auf diese Schule gegangen ist und im gleichen Jahr seinen Abschluss gemacht hat?«
Diane wartete.
»Gib Lowe. Sie waren in der gleichen Leichtathletikmannschaft.«
»Lowe war in der Leichtathletikmannschaft?« Diane war so baff, dass ihre Frage quieksend herauskam.
»Er war Kugelstoßer. Und sein Kumpel Diskuswerfer.«
Diane sank in ihrem Sitz zurück. »Und was beweist
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