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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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führten. In den kurzen Intervallen, in denen Reynolds kein Gas gab und der Motor im Leerlauf brummte, konnte Barnes das Tuckern des Traktors hören.
    Besaß die Zugmaschine genug Pferdestärken, um sie aus dem Moor zu ziehen, ehe die Bohlen so tief sanken, daß der Schlamm die Ketten verschluckte?
    Einer Sache war sich Barnes völlig gewiß: Unter dem Gewicht von Bert würden die Bohlen blitzschnell versinken oder sogar vorher brechen, ehe der Tank festen Grund erreichte. Colburn, der auf der Motorhaube am Heck stand, konnte das rettende Ufer durch einen Sprung erreichen, wenn er schnell reagierte. Er selbst, Barnes, konnte es nicht schaffen, da er bleiben und Reynolds aus dem Fahrerabteil heraushelfen mußte. Dann müßte der Fahrer aber schon herausklettern, ehe der Sergeant das Vorderchassis erreichte. Andererseits jedoch sprach alles für die Möglichkeit, daß die sechsundzwanzig Tonnen Stahl von Bert wie ein Stein im Schlick versanken, ehe Reynolds überhaupt den Oberkörper aus dem Abteil geschoben hatte. In diesem Fall würden sie beide ohne jegliche Feindberührung sterben – wie der arme Penn. Wie auch Davis.
    Barnes hatte diese schreckliche Vision, daß der Panzer versinken würde, sah bildhaft vor sich, wie der Schlamm hungrig die Ketten verschlang, über das Chassis stieg, an seinen Beinen und seinem Oberkörper immer höher kroch, wie der stinkende Morast über seinem Kopf zusammenschlug und die Welt da oben für immer auslöschte.
    Der Sergeant packte das Mikro und gab das Kommando.
    »Jetzt!«
    Und danach rief er, so laut er konnte: »Achtung!«
    Dreimal rief er dieses Wort. Der Tank bewegte sich rückwärts. Die Zugleinen hingen schlaff durch! Der Bauer hatte ihn nicht gehört!
    Barnes öffnete den Mund erneut. Im gleichen Moment strafften sich die Tauen. Der Traktor bewegte sich vorwärts.
    Die Ketten rutschten auf die Bohlen, und sofort spürte Barnes die Sinkbewegung. Beide Bohlen waren von der kleinen Insel aus festem Untergrund abgerutscht, und auch das Vorderteil, in dem Reynolds saß, sank ein. Der Fahrer fuhr mit Vollgas, und die Ketten wühlten durch den dicken Schlamm, wirbelten Schlick durch die Lichtstrahlen der beiden Taschenlampen.
    Sie konnten es nicht schaffen. Die Kopfenden der Bohlen ruhten immer noch auf dem festen Ufer, doch die hinteren Enden waren schon so tief eingesunken, daß der Tank die Behelfsbrücke in einem steilen Winkel erklettern mußte.
    Barnes schaute zurück. Die dicke braune Brühe schwappte schon über die hinteren Ketten. Das rettende Ufer war noch viel zu weit entfernt, der Tank versank wie ein langsam fahrender Lift.
    Colburn stand unbeweglich gegen den Turm gelehnt und richtete den Strahl seiner Lampe auf die rechte Bohle. Barnes bedeckte das Mikro mit der Hand und rief ihm zu, er solle springen, und gab gleich das Mikro wieder frei, um Reynolds Befehl zum Verlassen des Fahrabteils zu geben. Dabei bemerkte er, daß der dicke Schlamm schon bis zum Chassis reichte. Reynolds mußte Todesängste ausstehen.
    Tatsächlich fürchtete sich Reynolds vorn in seinem Fahrerabteil wie nie zuvor in seinem Leben. Eine solche Angst hatte er bei keinem einzigen der zahlreichen deutschen Angriffe durchgemacht. Er bebte schon vor Angst, als er in das Fahrabteil stieg und sich auf den hochgeschraubten Sitz hockte. Sein Kopf ragte ins Freie, und er konnte jede Phase des Unternehmens genau verfolgen. Die Schräglage des Panzers überzeugte ihn davon, daß er eines schrecklichen Todes sterben mußte.
    Ehe Barnes das Startkommando gab, hatte die Nase von Bert höher gestanden als das Heck, was Reynolds als Vorteil erschienen war. Denn sollte das Heck sinken, hätte er immer noch genügend Zeit gehabt, um herauszuklettern und auf die Insel im Moor zu springen – zumindest eine minimale Überlebenschance.
    Im Kopfhörer ertönte Barnes’ Befehl: »Jetzt!«
    Der Tank bewegte sich rückwärts und rollte über die Bohlen.
    Sekunden später veränderte sich sein Neigungswinkel, die Nase sank tiefer, das Heck hob sich, und Reynolds wußte, daß dies sein Ende war. Der Boden schien in alarmierender Schnelle unter ihm wegzusinken, der Schlamm verschluckte die Scheinwerfer, die Ketten wühlten sich immer tiefer in den haltlosen Grund, sein Fahrabteil ging unter. Er sah genau, wie der Schlamm über den Ketten zusammenfloß und die Außenpanzerung erreichte. Gleich würde die stinkende Brühe auf ihn zufluten, an seinem Kinn hochkriechen und in das Abteil sickern. Doch Barnes hatte ihm noch

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