Gehetzt
Steinmauern entlang und verlief dann parallel zu der Rückseite der Häuser. Barnes schlich mit gesenktem Kopf vorwärts. Den Revolver hielt er schußbereit in der Hand. Er passierte ein geschlossenes Tor in der Mauer. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, denn er erinnerte sich, daß links von ihm ein tiefer Graben verlief.
Vielleicht hatte er etwas gehört und den Kopf gedreht, doch er konnte sich später an nichts mehr erinnern. Ein Gewehrkolben krachte ihm mit solcher Wucht auf den Kopf, daß er augenblicklich das Bewußtsein verlor…
Als er erwachte, empfand er eine entsetzliche Übelkeit, doch kämpfte er sie erfolgreich nieder. Seine Schulterwunde schmerzte höllisch. Jemand schien ständig mit einem Vorschlaghammer seinen Kopf zu bearbeiten und löste mit jedem Schlag ein schmerzhaftes Echo aus.
›Reiß dich zusammen, Mann!‹
Mit ungeheurer Anstrengung versuchte er, die Augenlider zu heben, die schwer wie Blei waren. Ein greller Lichtstrahl blendete ihn, und er schloß die Augen rasch wieder. Eine gutturale Stimme sagte auf englisch:
»Wie schön, Sergeant Barnes, Sie wieder unter den Lebenden zu begrüßen.«
Barnes öffnete die Augen einen Spalt und versuchte sich umzusehen. Aus dem Dunkel hinter der Lampe tauchte ein uniformierter Arm auf und verdrehte den Lampenschirm, so daß der Lichtkegel auf die Tischplatte fiel. Der Arm gehörte einem schmalgesichtigen Mann von etwa dreißig Jahren, der eine deutsche Offiziersuniform trug. Barnes ließ schwerfällig den Blick durch den verdunkelten Raum schweifen, doch Jacques war nicht zu sehen. Der Junge war vermutlich ins Dorf entkommen.
»Sagen Sie, ob Sie bereit sind zu reden«, sagte der Deutsche.
Barnes fluchte innerlich. Er saß in einem hölzernen Sessel mit hoher Rückenlehne. Seine Gelenke waren mit Draht an die Lehnen gefesselt. Als er verstohlen versuchte, sich aufzurichten, fühlte er einen breiten Gurt um seine Hüfte. Nur seine Beine waren frei. Man hatte ihn fein säuberlich verschnürt.
Ein weiterer Offizier trat von hinten in den Lichtkreis der Lampe. Er ließ eine Handvoll Kiefernnadeln auf die Tischplatte fallen und begann sie fein säuberlich nach Größe zu sortieren, wobei er Barnes scheinbar keinerlei Beachtung schenkte.
Barnes knirschte mit den Zähnen. War dieses Vorspiel zur Folterung nur eine Finte, um ihn weichzukochen?
»Ich bin Major Berg«, sagte der Offizier hinter dem Tisch.
»Und Sie sind natürlich Sergeant Barnes.«
Er hob das britische Soldbuch und wedelte damit durch die Luft. »Sie werden sich sicher über mein gutes Englisch wundern. Vor dem Krieg war ich Militärattache in London.«
Seine Stimme wurde eisig. Schnell fragte er:
»Barnes, wo steht Ihre Einheit? Wo wollen uns die Briten von hinten angreifen?«
Barnes nannte Namen und Dienstgrad sowie seine Kennzahl und schwieg dann. Der am Tisch stehende Offizier schlug ihm mit der Handkante auf den Mund. Barnes schmeckte Blut und spuckte einen abgebrochenen Zahn aus. Aus halb geschlossenen Augen sah er, wie Berg den Kopf schüttelte, als wolle er seinen Kameraden zur Besonnenheit mahnen.
»Ich habe vergessen, Ihnen meinen Kameraden, Hauptmann Dahlheim, vorzustellen«, fuhr Berg fort. »Für gewöhnlich reden wir mit unseren Gästen in sehr höflicher Form, wenden nur Druck an, wenn die Zeit zu knapp wird. Leider wird Hauptmann Dahlheim leicht böse, wenn man meine Fragen nicht schnell und präzise beantwortet.«
Barnes wiederholte seine Angaben und wies daraufhin, daß er gemäß der Genfer Konvention zu keinen weiteren Aussagen verpflichtet sei. Dalheim spielte derweil mit den Kiefernnadeln herum. Für einen Augenblick verdeckte sein Körper Barnes vor den Blicken von Berg. Barnes zerrte an seinen Handfesseln aus Draht, konnte seine Hände aber nicht befreien.
»Sie sind ein Spion«, hörte er Bergs Stimme. »Dahlheim, zeigen Sie ihm die Kleider, die er trug, als wir ihn überraschten.«
Dahlheim hob ein Kleiderbündel von einem Stuhl und zeigte es ihm. Einen schrecklichen Augenblick lang glaubte Barnes, es seien Jacques’ Kleider, doch es waren bloß eine Arbeitsjacke und -hose aus blauem Körper, wie sie französische Landarbeiter trugen. Jacques hatte einen Straßenanzug getragen. Der Junge mußte den Deutschen entwischt sein.
»Ich habe noch nie solche Sachen getragen, das wissen Sie genau.«
»Hauptmann Dahlheim kann bezeugen, daß wir Ihnen diese Kleider ausgezogen haben, während Sie bewußtlos waren. Sie trugen sie, um sich zu
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