Gehetzt
Vater zu sagen pflegte. Reynolds huschte geduckt an der Gartenmauer entlang und zählte die Tore. Das nächste mußte es sein. Es war nicht verriegelt und schwang lautlos auf, als er dagegenstieß. Der schwache Lichtschimmer wurde von Obstbäumen im Garten fast verdeckt. Reynolds lauschte und spähte gleichzeitig über die Begrenzungsmauer einen anderen Fußweg hinunter, der zurück zur Straße führte.
Wenn der Posten hier auftauchte, während er im Garten war, saß er ganz schön in der Falle. Eben nur ein Penny, dann…
Reynolds schlich zum Fenster und entdeckte den Spalt im Vorhang. Zehn zu eins, daß die Leute drinnen gerade zum Fenster schauten, wenn er hineinsah, aber er mußte jetzt wissen, was da los war. Er stützte sich mit einer Hand gegen die Wand, warf einen Blick ins Innere und trat schnell zurück.
Genau in diesem Moment war Dahlheim hinter Barnes Sessel getreten.
Zum erstenmal erlebte Reynolds seinen Sergeant völlig hilflos und stand für ein paar Sekunden schreckerstarrt. Doch dann erfaßte ihn rasender Zorn. Er huschte aus dem Garten über den Fußweg zur Straße und zog im Laufen sein Messer mit der extrem scharfen Klinge und der feinen Spitze aus der Scheide. Fischverkäufer schliffen die Messer immer so. An der Ecke blieb er stehen und lauschte auf die Fußschritte des Postens, dem es anscheinend langweilig geworden war. Er wanderte auf und ab, zehn Schritte vor, zehn Schritte zurück.
Reynolds erinnerte sich an eine Nacht, in der er selbst in einem abseits gelegenen Camp in der Nähe von Hull Wache schieben mußte. Im Dunkeln hatte er eine Abneigung entwickelt, vor der Kehrtwendung einen Augenblick stehenzubleiben, wie seine Kameraden es immer machten. Statt dessen hatte er sich im Gehen umgedreht. Und genau auf diesen Moment wartete er jetzt.
Der Posten kam wieder auf ihn zu. Acht, neun, zehn…
Reynolds sprang blitzschnell hinter der schützenden Deckung der Mauer hervor und sah den Rücken des Postens kaum zwei Meter vor sich. Er riß die Hand mit der Waffe hoch, machte drei lautlose Schritte und jagte dem Posten das Messer bis zum Heft in den Rücken. Die Klinge drang durch den Uniformstoff, glitt an einem Knochen ab und bohrte sich tief ins Fleisch. Mit einem gurgelndem Aufschrei stürzte der Deutsche zu Boden.
Reynolds beugte sich rasch über sein Opfer und riß ihm das Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett von der Schulter. Er fürchtete, der Posten könnte mit seinem Schrei die halbe Straße alarmiert haben.
Seine Handlungen liefen jetzt automatisch ab, wie bei einem Manöver. Der Fahrer packte das Gewehr mit einer Hand am Lauf dicht vorm Bajonett, mit der anderen am Kolben und stürmte auf die Eingangstür los – die plötzlich von innen aufgerissen wurde. Eine uniformierte Gestalt stand im Türrahmen.
Dahlheim hielt die Luger schußbereit in der Hand, doch bevor er den Finger krumm machen konnte, war Reynolds heran und rammte ihm das Bajonett in den Bauch. Der Deutsche stöhnte laut auf und stürzte unter Reynolds vehementem Anprall rückwärts in den Raum. In einem Reflex stellte ihm der Fahrer einen Fuß auf die Brust und riß mit einem heftigen Ruck das Bajonett aus dem Körper. Rasch überblickte er die Situation im Zimmer.
Dahlheim hatte gerade die Schnur um Barnes’ Hals geschlungen, als sie den Aufschrei des Postens hörten. Auf Bergs Befehl zog er sofort die Luger und riß die Tür auf. Berg war aufgestanden und mit schußbereiter Pistole neben den Tisch getreten. Barnes hörte Dahlheims schrecklichen Schrei.
In diesem Moment ging Berg am Sessel seines Gefangenen vorbei. Barnes’ linker Fuß schoß vor und brachte den Deutschen zu Fall. Der Sergeant warf sein ganzes Gewicht nach links und ließ sich mitsamt dem Sessel auf den Major fallen. Beim Aufprall zerbrach die Lehne; seine linke Hand war jetzt frei. Barnes ballte sie zur Faust und hieb sie mit aller Wucht dem unter ihm liegenden Berg ins Gesicht. Einen Sekundenbruchteil später rutschte der Sessel vom Körper des Majors. Barnes lag hilflos auf der Seite, seinen Körper dem Deutschen zugewandt. Der Major schüttelte benommen den Kopf, spie Blut und ein paar Zahnsplitter aus, hob den Revolver und zielte direkt in Barnes’ Gesicht. Unfähig, sich zu rühren, trotz der plötzlichen Todesangst, die ihn mit eiskalten Klauen packte, registrierte der Sergeant noch die Bewegung über sich. Mit schrecklicher Wucht sauste Reynolds Gewehrkolben auf den Kopf des Deutschen nieder. Die erhobene Schußhand krachte zu
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