Gehetzt
tarnen. Und wir könnten sagen, daß Sie keinerlei Identifikation bei sich trugen, kein Soldbuch, nichts.«
Er ließ das Soldbuch in eine Schublade fallen und schloß sie.
»Also sind Sie ein Spion. Wir können mit Ihnen machen, was wir wollen.«
Bluffte Berg nur? Barnes konnte das bleiche Gesicht seines Gegenübers nun besser sehen. Der Deutsche war älter, als er vermutet hatte. Innerlich bebte der Sergeant vor Zorn. Er war dicht vorm Ziel gewesen, hatte die schwierigste Patrouille hinter sich gebracht, die er je im Leben gegangen war. Einen Augenblick nur ließ seine Achtsamkeit nach, und schon hatten die Deutschen ihn erwischt, fünf Minuten von Berts Versteck entfernt. Ein Gedanke quälte ihn ganz besonders, jetzt, da eine Flucht ausgeschlossen schien. Er war mit seinen Leuten nach Lemont gefahren, weil laut Kampfplan aus dem deutschen Stabswagen dem britischen Expeditionsheer von diesem Punkt aus die größte Gefahr drohte. Ausgerechnet hier, wo er endlich einen Lebensnerv der Deutschen, insbesondere der 14. Panzerdivision, der Sturmspitze des Angriffs auf Dünkirchen, treffen konnte, geriet er in Gefangenschaft. Was sagte dieser Berg gerade?
»Wir haben nicht sehr viel Zeit, Sergeant Barnes.«
»Die hat keiner von uns.«
»Aus verschiedenen Gründen ist es deshalb wichtig, daß Sie meine Fragen unverzüglich beantworten. Also, wo steht Ihre Einheit? Was haben die Briten vor?«
Der Major wartete ein paar Sekunden.
»Dahlheim, Sergeant Barnes zieht es vor zu schweigen.«
Dahlheim richtete sich auf und drehte sich um. Vor ihm auf der Tischplatte lagen in schöner Ordnung die Kiefernnadeln.
Ihre Spitzen deuteten auf Barnes. Das Gesicht unter der Offizierskappe war rund und voll; mit schläfrigem Blick musterte der Deutsche den Gefangenen. Jetzt erst sah Barnes den schwarz-silbernen Kragenspiegel mit zwei seltsamen Runenzeichen. Hauptmann Dahlheim gehörte zur SS.
Die Augen des Sergeants hatten sich allmählich an das Halbdunkel im Raum gewöhnt. Hinter dem Lichtkegel der Lampe, im Rücken von Berg, bemerkte Barnes ein Fenster.
Die Vorhänge waren bis auf einen Spalt an einer Seite geschlossen. Durch diesen Spalt fiel ein silberner Streifen Mondlicht in den Raum. Dahlheim senkte die Hand, und Barnes glaubte schon, er würde die Pistole aus dem Lederholster an der Hüfte ziehen. Der Hauptmann faßte in die Tasche, zog ein Stück Schnur hervor und wickelte die Enden mehrmals um seine Hände. Er ließ sich viel Zeit und beobachtete Barnes dabei scharf. Dann trat er ohne ein Wort hinter den Sessel des Gefangenen. Barnes ahnte, was kam, und sein Körper spannte sich.
Reynolds sah den Posten vor dem kleinen Haus und das abgestellte Motorrad in der Nähe. Geräuschlos machte er ein paar Schritte die Straße hinunter und verschwand in einem von Steinmauern gesäumten Gäßchen, das ihn vor den Blicken des Postens zwei Häuser weiter deckte. Eine Minute lang überlegte er sein weiteres Vorgehen. Zum erstenmal in seinem Leben tat er zwei Dinge, die ihn beide gleichermaßen bedrückten. Er mißachtete einen Befehl, und er trat in Aktion, ohne einen Vorgesetzten davon informiert zu haben. Ihm kamen Zweifel an der Richtigkeit seines Verhaltens, und er fragte sich, ob es nicht besser sei umzukehren.
Barnes hatte ihm ausdrücklich befohlen, beim Tank zu bleiben. Nur eine schier übermächtige Ahnung, daß der Sergeant in Gefahr war, trieb den Fahrer zu seiner Handlungsweise. Colburns Angebot, an seiner Stelle nach Barnes zu suchen, hatte er entschieden abgelehnt. ›Ein Pilot gehört in die Luft‹, sagte sich Reynolds, ›am Boden taugen die Burschen nicht viel.‹ Jetzt fürchtete er, Barnes’ und Jacques’
Rückkehr verpaßt zu haben. Wahrscheinlich fragte der Sergeant Colburn schon nach seinem Verbleib.
Es war vielleicht doch besser, umzukehren, aber nicht über die Straße. Zu gefährlich. Es gab sicher einen anderen Weg hinter den Häusern entlang. Ja, er mußte zurück. Barnes konnte durchaus auf sich selbst achtgeben.
Der Fahrer erreichte das Ende der Mauer und hob vorsichtig den Kopf. Aus einem Fenster des zweiten Hauses drang Licht.
Wahrscheinlich hatte sich dort eine Art Gefechtsstand etabliert, ein Ort also, dem man lieber fernbleiben sollte.
Reynolds schlich einen Fußweg an der hinteren Gartenmauer entlang und blickte zurück. Das Licht zog ihn magisch an.
Besser, er sah einmal nach. Vielleicht interessierte es Barnes, was es mit diesem Haus auf sich hatte. Ein Penny gegen ein Pfund, wie sein
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