Gehetzt
Der Bursche, dessen Rolle ich jetzt hier spiele, hatte doch bestimmt einige Kumpels und Freunde in seiner Einheit, dachte Penn. Vielleicht sogar unter diesen Burschen da auf dem Feld. Was war, wenn einer von ihnen zu ihm herüberkam?
Trotz dieser Gefahr registrierte Penn jede Einzelheit. Ein Panzer rollte auf die Brücke. Jeder Fahrer hatte anscheinend strikte Anweisungen, bei Motorpannen unter allen Umständen die Fahrbahn zu räumen. Der Vormarsch der Panzer durfte auf keinen Fall gestört werden. Und die Meute da drüben turnte möglicherweise bei Tagesanbruch noch immer hier herum.
Reizende Aussichten!
»Penn!« Barnes’ Stimme war kaum ein Flüstern hinter der Steinmauer.
»Ich weiß, was los ist. Bleiben Sie ganz ruhig. In einer Minute haben sie die Kiste wieder am Laufen.«
Barnes schwieg, während ein weiterer Panzer die Brücke überquerte, und preßte sich flach gegen die Mauer, damit der Kommandant im Turm ihn nicht entdeckte.
»Penn, ich bin direkt hinter Ihnen. Wenn die Sache auffliegt, verpasse ich denen eine Ladung aus ihrer eigenen Maschinenpistole. Rühren Sie sich nicht von der Stelle… Ich…«
Der Rest seiner Worte ging unter im Kettengerassel des nächsten Panzers. Doch allein die Tatsache, daß sich Barnes hinter der Mauer, jedenfalls in der Nähe, befand, machte Penn wieder Mut. Er packte die Maschinenpistole fester. Wenn’s denn so sein sollte, würde er sein Spielchen bis zum bitteren Ende durchziehen.
Ein paar Soldaten schlenderten zur Straße hinüber. Der Fahrer und der Offizier beschäftigten sich noch immer mit dem Motor. Wenn sie ihn nicht bald flott kriegten, würden einige der Burschen zu einem kurzen Schwatz über die Straße kommen.
Ein Soldat wollte die Straße überqueren, doch tauchte gerade noch rechtzeitig ein Scheinwerferpaar auf der Brücke auf, und ein Wagen schoß mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Kurve zu. Bremsen kreischten, der Motor heulte auf, als der Fahrer vor der Kurve herunterschaltete. Der Soldat war von der Fahrbahn zurückgesprungen und zögerte. Irgend etwas mußte geschehen. Und zwar bald.
Barnes hatte sein Versteck verlassen und kroch auf der Seite jenseits des Flusses die Böschung empor. Er hatte sich am Unterholz die Hände blutig gerissen, das frische Blut vermischte sich mit Schmutz und Schweiß. Er erreichte den Hang der Böschung gerade, als ein Wagen heranrollte, und warf sich flach auf den Boden, bis das Fahrzeug vorbei war.
Dann bog er vorsichtig die Zweige des Gehäuses auseinander. Ihm stockte der Atem.
Fast wäre es zu spät gewesen. Hastig rutschte er die Böschung hinab, packte die Maschinenpistole, die er auf dem Weg am Fluß zurückgelassen hatte, watete durch den Fluß und kletterte auf der anderen Seite zu dem Corporal hinauf. Er wartete, bis der nächste Panzer vorbei war.
»Hören Sie, Penn, da kommen nur noch vier Fahrzeuge – und die letzten beiden sind höchstwahrscheinlich Kräder.«
»Ich glaube, der Lastwagen auf dem Feld fährt gleich weiter…«
»Ich weiß, ich habe gehört, wie der Motor ansprang. Hören Sie zu. Lassen Sie die zwei Wagen vorbei, und dann verschwinden Sie wie der Teufel nach unten, sobald ich es Ihnen sage.«
»Aber der Lastwagen…«
»Halten Sie den Mund!« zischte Barnes.
Es wurde verdammt knapp. Barnes wußte es. Er spähte zum Ende der Brückenabfahrt, wo der Lastwagen auf dem Feld stand. Die Soldaten kletterten gerade auf die Ladefläche, der Offizier und der Fahrer saßen schon wieder im Führerhaus. Die letzte Kradstreife würde wahrscheinlich auf der Brücke anhalten, um Penn aufzunehmen. Mit ihr würden sie fertig werden, doch nur, wenn der Wagen mit den Soldaten vorher losfuhr.
Barnes wußte, daß jetzt Sekundenbruchteile über Erfolg und Mißerfolg entschieden. Alle Soldaten waren nun aufgesessen, die Heckklappe wurde geschlossen. Der Transporter fuhr einen Halbkreis. Über die Brücke rollte ein Panzerwagen. Jetzt kam nur noch ein Wagen. Der Lastwagen fuhr auf die Straße zu, schaukelte unendlich langsam durch die tiefen Bodenfurchen.
Würde er die Straße erreichen, ehe der nächste Wagen heran war?
Barnes faßte die Maschinenpistole fester und überlegte die möglichen Entscheidungen, die er innerhalb der nächsten sechzig Sekunden zu treffen hatte.
Der Lastwagen hatte die Fahrbahn erreicht und stoppte, um abzuwarten, bis die Straße frei war. Barnes beobachtete dieses Manöver mit grimmiger Miene. Diese verdammte Blechkiste war der wahre Feind, denn sie entschied
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