Gehetzt
schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als der erste Panzer über die Brücke auf ihn zufuhr. Den Blick hielt er starr auf die gegenüberliegende Mauer gerichtet. Das schwere Fahrzeug erreichte seinen Standort. Penn fühlte fast körperlich die Nähe der aufrecht stehenden Gestalt hoch über sich. Der Panzer rasselte vorbei in die Kurve und beschleunigte.
Penn stieß den Atem aus, den er unwillkürlich angehalten hatte, und fragte sich, wie lange er diese Spannung noch ertragen konnte. Er war fast am Ende seiner Kraft…
Der Corporal hatte sich in gefährlichen Situationen eine Art mentales Training angewöhnt. Er nannte das ›den Geist ins Kühlfach legen‹. Er unterdrückte einfach alle Gefühlsregungen oder normalen Reaktionen und schaltete seine geistige Aktivität dadurch aus, daß er sich auf eine einzige Sache konzentrierte. Jetzt konzentrierte er sich einfach aufs Zählen der Fahrzeuge. Er war schon beim zwanzigsten schweren Panzer angelangt, als ihm etwas auffiel. Keiner der Kommandanten hatte ihn bis jetzt auch nur eines einzigen Blickes gewürdigt. Sie waren viel zu sehr mit dem Schwenkmanöver in der Kurve hinter der Brücke beschäftigt, um sich um einen Posten zu kümmern, der für sie schon fest zum nächtlichen Landschaftsbild gehörte. Penn war schon fast soweit, sich über jeden Panzer zu freuen, der an ihm vorüberrollte. Die Lastwagen waren viel gefährlicher.
Die Ankunft des ersten, einer genauen Kopie des Wagens, den er am Kanal mit der Kanone in die Luft gejagt hatte, versetzte ihm deshalb auch einen regelrechten Schock. Der Lastwagen fuhr langsam an ihnen vorbei, und unter dem Helmrand hervor bemerkte Penn den Offizier, der vorne neben dem Fahrer saß. Der Offizier schaute herüber, doch schon war der Wagen vorbei. Dafür bot er Penn ohne Vorwarnung seine offene Ladefläche, gedrängt voll mit behelmten Infanteriesoldaten, die sich auf ihre Gewehre stützen. Ein Meer ausdrucksloser Gesichter starrte zu ihm herüber.
Kurz vor der Kurve gab es einen lauten Knall, und der Transporter blieb fast stehen.
Fahr, um Gottes willen, weiter! dachte Penn. Der Lastwagen fuhr in die Kurve und verschwand. Seine Hände waren so feucht, daß ihm die Waffe fast aus der Hand gerutscht wäre.
Zählen, weiter zählen! Nur das Zählen ist wichtig. Penn wischte sich die Hände an dem Überzieher ab. Der nächste Lkw. Der gleiche uninteressierte Blick des Offiziers in der Fahrerkabine, die gleichen leeren Gesichter auf der Ladefläche. Penn reichte es langsam. Lieber Gott, schick mir doch noch ein paar Panzer. Bei diesem Gedanken hätte Penn beinahe laut gekichert, doch bereitete ihm seine Reaktion Sorge. War er schon dabei, durchzudrehen? Der nächste verdammte Laster. Zählen! Als der Wagen um die Kurve verschwand, hörte Penn hinter dem Steingeländer in seinem Rücken Barnes’ vertraute Stimme:
»Durchhalten, Penn! Sie machen das verdammt gut!«
Es tat gut, Barnes’ Stimme zu hören. Penn fühlte sich nicht mehr so fürchterlich allein, dem Feind ausgeliefert.
›Für die da unten ist es bestimmt auch nicht viel angenehmer, dachte er. Wahrscheinlich sogar noch schlimmer, weil sie die Vorgänge hier oben nicht beobachten können.‹ Penn begann wieder zu zählen.
Eine halbe Stunde später entschied das Schicksal, die Schraube noch ein wenig stärker anzuziehen und den Nervenkrieg zu verschärfen, als ob es Penn nicht schon genügend strapaziert hätte. Der Corporal sah sich plötzlich ohne jede Vorwarnung einer Nervenzerreißprobe ausgesetzt, wie er sie in solcher Härte nie für möglich gehalten hätte.
Der Lastwagen rollte wie seine Vorläufer auf die Brücke, die Scheinwerfer huschten über Penns Gesicht. Der Wagen fuhr über den Brückenbogen und passierte Penn. Wieder der Blick des Offiziers im Fahrerhaus, wieder die leeren Gesichter auf der Ladefläche. Genau in der Kurve hatte der Wagen in dichter Folge eine Reihe von Fehlzündungen. Er wurde langsamer, der Motor spuckte und hustete. Penn hörte, wie der Fahrer immer wieder Gas gab und versuchte, den Motor auf Touren zu bringen. Einen Moment lang setzte die Maschine völlig aus und begann dann wieder zu drehen. Der Wagen rollte von der Straße, die Scheinwerfer lagen genau auf der Baumgruppe.
Der Fahrer fuhr einige Meter auf das Feld und hielt dort an.
Entsetzt beobachtete Penn, wie Soldaten von der Ladefläche heruntersprangen und sich die Beine vertraten. Der Offizier und der Fahrer öffneten die Motorhaube und hantierten am Motor herum.
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