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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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sie nicht sahst, bis... nun, genau genommen bekamst du sie natürlich nie zu sehen.
    Lucy suchte in einem Schrank nach dem Tee.
    Bitterer Nebel …
    Sie hielt inne. Was war das für ein Geräusch?
    Lucy neigte den Kopf und lauschte.
    Was war das?
    Ein Ticken. Ihr Magen zog sich zusammen. Sie und Bob besaßen keine mechanischen Uhren. Aber genau danach klang es.
    Was, zum Teufel, ist das?

    Sie ging in das kleine Gästezimmer, das ihnen hauptsächlich als Abstellkammer diente. Das Licht war aus. Sie schaltete es ein. Nein, das Geräusch kam von irgendwo anders.
    Sie bekam feuchte Hände. Ihr Atem und Herzschlag beschleunigten sich.
    Ich bilde mir das nur ein... Ich werde noch verrückt. Eine ISL tickt nicht. Falls sie überhaupt einen Zeitzünder hat, dann einen elektronischen.
    Glaubte sie außerdem allen Ernstes, jemand habe in ihrer New Yorker Wohnung eine Bombe gelegt?
    Mädchen, du solltest dir dringend Hilfe suchen.
    Lucy ging zum Eingang des Schlafzimmers. Die Schranktür stand offen und blockierte die Sicht auf die Kommode. Vielleicht war... Sie trat einen Schritt vor und blieb wieder stehen. Das Ticken kam auch nicht aus diesem Raum. Sie ging den Flur entlang zum Esszimmer und sah hinein. Nichts.
    Weiter zum Badezimmer. Sie lachte auf.
    Neben der Badewanne stand eine Uhr auf dem Toilettentisch. Sie sah ziemlich altmodisch aus. Das Gehäuse war schwarz, und auf dem Zifferblatt starrte Lucy aus einem kleinen Fenster ein Vollmond entgegen. Woher kam dieses Ding? Hatte ihre Tante mal wieder den Keller entrümpelt? Hatte Bob die Uhr während ihrer Abwesenheit gekauft und heute Morgen hier hingestellt, nachdem sie zum Fitnesscenter aufgebrochen war?
    Aber wieso im Badezimmer?
    Das seltsame Mondgesicht musterte sie durchdringend, fast bösartig. Es erinnerte Lucy an die Gesichter der Kinder am Straßenrand, deren Münder zu etwas verzogen waren, das nur entfernt mit einem Lächeln zu tun hatte; man wusste nie, was in ihren Köpfen vorging. Wenn sie dich ansahen, sahen sie dann ihre Retter? Ihre Feinde? Oder Außerirdische?
    Lucy beschloss, Bob oder ihre Mutter anzurufen und nach der Uhr zu fragen. Sie ging in die Küche und bereitete den Tee zu. Dann nahm sie ihren Becher und das Telefon mit ins Badezimmer und ließ Wasser in die Wanne laufen.
    Sie fragte sich, ob ihr erstes Schaumbad seit Monaten wohl in der Lage sein würde, den bitteren Nebel abzuwaschen.

    Auf der Straße vor Lucys Wohnung sah Vincent Reynolds zwei Schulmädchen vorbeigehen.
    Er schaute ihnen hinterher, aber der nagende Hunger wurde nicht noch stärker. Die beiden waren Halbwüchsige und somit zu jung für ihn. (Zugegeben, Sally Anne war auch ein Teenager gewesen, aber er damals ebenfalls, also war das in Ordnung gegangen.)
    Aus dem Mobiltelefon erklang Duncans flüsternde Stimme. »Ich bin in ihrem Schlafzimmer. Sie ist im Bad und lässt Wasser in die Wanne einlaufen... Das ist hilfreich.«
    Ertrinken auf dem Trockenen...
    Da es in dem Haus zahlreiche Mieter gab, die ihn beim Öffnen der Wohnungstür hätten beobachten können, war Duncan auf ein etwas entfernt liegendes Gebäude gestiegen und hatte sich über die Dächer zu Lucys Haus vorgearbeitet, dann die Feuertreppe hinunter und bis in ihr Schlafzimmer. Er war wirklich sportlich (ein weiterer Unterschied zwischen den Freunden).
    »Okay, es ist so weit.«
    Danke …
    Aber dann hörte er: »Moment.«
    »Was denn?«, fragte Vincent. »Stimmt etwas nicht?«
    »Sie telefoniert. Wir müssen warten.«
    Der hungrige Vincent beugte sich vor. Warten konnte er gar nicht gut.
    Eine Minute verging, zwei, fünf.
    »Was ist da los?«, flüsterte Vincent.
    »Sie telefoniert immer noch.«
    Vincent wurde wütend.
    Verflucht noch mal... Er wünschte, er könnte Duncan dort oben zur Hand gehen. Was, zum Teufel, fiel ihr ein, ausgerechnet jetzt zu telefonieren? Er schlang ein paar Süßigkeiten herunter.
    »Ich werde versuchen, sie vom Telefon wegzulocken«, sagte der Uhrmacher schließlich. »Ich klettere zurück aufs Dach und komme im Treppenhaus nach unten. Dann bringe ich sie dazu, die Tür zu öffnen.« Der Mann hörte sich nicht ganz so gelassen an wie sonst. »Ich kann nicht länger warten.«
    Du hast gut reden, dachte der clevere Vincent, der für einen Moment an die Oberfläche kam, bevor seine ausgehungerte andere Hälfte ihn wieder verdrängte.

    Als Lucy Richter sich auszog, um in die Wanne zu steigen, hörte sie wieder ein Geräusch. Nicht das Ticken der Uhr. Es kam von irgendwo in der Nähe. Aus

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