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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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verbunden ist. Man hat mir gesagt, niemand könne es aufbrechen. Diese Vitrinen werden für unsere kostbarsten Exponate benutzt.«
    Der Mann redete weiter, aber Rhyme wandte den Kopf ab. Irgendetwas kam ihm seltsam vor. Dann fiel es ihm wieder ein. »Diese Brandstiftung vorhin, bei der wir Fred Dellray zur Hand gehen sollten. Wo war das doch gleich?«
    Sachs runzelte die Stirn. »Bei einer Behörde. Dem Institute of Standards and Technology oder so. Warum?«
    »Schlag das nach, Mel.«
    Der Techniker ging online und las von der Internetseite vor. »NIST ist der neue Name für das National Bureau of Standards and...«
    »Bureau of Standards?«, fiel Rhyme ihm ins Wort. »Die sind für die nationale Atomuhr zuständig... Ist es das , was er vorhat? Das Zeitschloss im Museum ist an das NIST gekoppelt. Er will irgendwie die Zeit ändern und dem Schloss vorgaukeln, heute sei der nächste Dienstag. Daraufhin wird die Vitrine sich automatisch öffnen.«
    »Ist das möglich?«, fragte Dance.
    »Keine Ahnung. Aber falls es möglich ist, wird er es hinkriegen. Ich möchte wetten, das Feuer im NIST sollte den Einbruch tarnen...« Dann verstummte Rhyme abrupt, weil ihm klar wurde, welche Konsequenzen der Plan des Uhrmachers haben konnte. »O nein...«

    »Was ist?«
    Rhyme dachte an Kathryn Dances Beobachtung: dass menschliches Leben für den Uhrmacher unbedeutend war. »Die nationale Atomuhr regelt überall in den USA die Zeit«, sagte er. »Fluggesellschaften, Züge, Landesverteidigung, Energieversorgung, Computer... alles. Könnt ihr euch auch nur annähernd vorstellen, was passieren wird, falls er sich daran zu schaffen macht?«
     
    In einem billigen Hotel in Midtown saß ein Paar mittleren Alters auf einem kleinen Sofa, das nach Moder und altem Essen roch. Die beiden starrten auf einen Fernsehschirm.
    Charlotte Allerton war die untersetzte Frau, die sich am Dienstag als Schwester von Theodore Adams ausgegeben hatte, dem ersten »Opfer« in der Gasse. Der Mann neben ihr, Bud Allerton, ihr Ehemann, war der Anwalt, der Gerald Duncan mit dem Versprechen aus der Haft geholt hatte, sein Mandant würde in dem Korruptionsprozess als Belastungszeuge aussagen.
    Bud war tatsächlich Anwalt, wenngleich er seit einigen Jahren nicht mehr praktizierte. Duncans Plan zuliebe hatte er sich auf seine früheren Fähigkeiten besonnen und war als Strafverteidiger aus den Reihen der großen, namhaften Kanzlei Reed und Prince aufgetreten. Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt hatte ihm die ganze Farce abgekauft und sich nicht einmal die Mühe gemacht, Buds Identität durch einen Anruf bei der Kanzlei zu überprüfen. Gerald Duncan hatte korrekt vorhergesehen, dass der Ankläger so begierig sein würde, sich mit einem Verfahren gegen korrupte Polizisten einen Namen zu machen, dass er glauben würde, was er glauben wollte. Wer fragt einen Anwalt außerdem je nach seinem Ausweis?
    Die Aufmerksamkeit der Allertons galt derzeit den Lokalnachrichten im Fernsehen. Jemand erzählte dort etwas über den sicheren Umgang mit Christbaumkerzen. Blabla... Charlotte schaute kurz durch die offene Tür in das große Schlafzimmer der Suite, wo ihr hübsches, dünnes Mädchen saß und ein Buch las. Die Tochter sah aus dunklen Augen ihre Mutter und ihren Stiefvater an, mit derselben düsteren Miene, die seit einigen Monaten typisch für sie war.
    Dieses Mädchen...
    Stirnrunzelnd blickte Charlotte zurück zu dem Fernseher. »Dauert das nicht schon zu lange?«

    Bud sagte nichts. Seine dicken Finger waren verschränkt, und er saß vorgebeugt da, in geduckter Haltung, mit den Ellbogen auf den Knien. Sie fragte sich, ob er betete.
    Gleich darauf verschwand der Reporter, dessen Mission es war, ganze Familien vor der Geißel brennender Weihnachtsbäume zu bewahren, und auf dem Bildschirm erschienen die Worte: Aus aktuellem Anlass folgt nun eine Sondersendung.

... Siebenunddreißig

    Im Laufe seiner Nachforschungen zum Thema Uhrmacherei – damit er einen glaubwürdigen Rächer abgeben würde – hatte Charles Hale von dem Konzept der »Komplikationen« erfahren.
    Eine Komplikation ist eine Zusatzfunktion einer Uhr, abgesehen von der eigentlichen Zeitanzeige, also etwa die kleinen Sichtfenster auf den Zifferblättern teurer Exemplare, an denen man den Wochentag oder Datum und Zeit an einem anderen Ort ablesen kann, oder Wiederholfunktionen wie regelmäßig ertönende Glockenschläge. Uhrmacher haben sich schon immer gern der Herausforderung gestellt, so viele

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