Gehirnfluesterer
alte Mann schaut ihn an und sagt: »Sohn, es ist Zeit, du musst
mir einen Pastor holen.« Der Sohn kann es nicht glauben. »Aber Papa, du bist nicht bei Sinnen. Dein ganzes Leben warst du
ein frommer Katholik. Du willst einen Priester, keinen Pastor.« Der Alte lächelt schwach und schüttelt den Kopf. »Sohn, es
ist meine letzte Bitte. Hol mir bitte einen Pastor.« – »Papa«, ruft der Sohn, »du als guter Katholik! Und mich hast du auch
so erzogen. Du kannst nicht ausgerechnet jetzt einen protestantischen Pastor wollen.« Der alte Mann gibt nicht nach. »Sohn,
wenn du deinen Vater ehrst und liebst, dann holst du jetzt einen Pastor.« Der Sohn gibt nach. Er holt einen Pastor und der
macht den alten Mann zum Konvertiten. Als der Pastor geht, begegnet er am Hauseingang dem katholischen Priester. Innerlich
erheitert sieht er ihn feierlich an. »Tut mir leid, Pater, Sie sind zu spät«, sagt er. »Er ist jetzt Protestant.« Der Pater
rennt nach oben und platzt ins Zimmer. »Seamus, Seamus«, ruft er, »was hast du getan? Du warst so ein guter Katholik. Wir
sind gemeinsam in die Kirche gegangen. Du warst schon dabei, als ich meine erste Messe gelesen habe. Wie in aller Welt konntest
du so was tun?« Der alte Mann sieht seinen Freund eindringlich an. »Na, Patrick«, sagt er, »ich dachte, wenn schon jemand
sterben muss, dann besser einer von DENEN als einer von UNS.«
Großer Auftrag
Als ich einmal am Londoner City-Airport ankam, herrschte totales Chaos. Das elektronische System war zusammengebrochen. Alle
Passagiere mussten manuell eingecheckt werden. Die riesige Check-in-Halle war voll mit Leuten, die in Reihen Schlange standen.
Niemand kam schnell irgendwohin. Manche kamen nirgendwohin. Vor mir in der Schlange stand einer, der dringend zum Flieger
wollte. Er hatte schon ein paar Mal lautstark telefoniert und jetzt hatte er genug. Er marschierte, nein, stürmte vor zum
Schalter an die Spitze der Schlange. Er knallte seine Prada-Tasche auf den Counter und wollte sofort eingecheckt werden. Die
Dame vom Bodenpersonal zeigte sich unbeeindruckt. Langsam erhob sie sich aus ihrem Stuhl, kletterte in aller Ruhe auf den
Tisch und richtete sich auf. Dann sprach sie ihn von oben herab mit lauter, gemessener und extrem angewiderter Stimme an:
»Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass
Sie
anders behandelt werden sollten als alle anderen hier auf diesem Flughafen?«
Er erreichte seinen Flug nicht.
Bisher ging es um kognitive Suggestion, darum, wie es Großmeistern der Überzeugung nicht nur gelingt, die Art der Information
zu beeinflussen, die unser Gehirn überhaupt aufnimmt, sozusagen das Rohmaterial, sondern auch die Art, wie wir damit umgehen,
wenn wir sie aufgenommen haben. Aber Geschichten wie die von der Dame vom Flughafen-Counter führen zu einer anderen Art von
Einfluss. Dieser Einfluss speist sich weniger aus der Macht der Information als aus dem Sog, den zwischenmenschliche Beziehungen
ausüben.
Nehmen wir den Fall Jonestown. Am 18. November 1978 sprach der Sektenführer Reverend Jim Jones eine Rede von 44 Minuten aufs Band, in der er die über 900 Mitglieder seiner Sekte People’s Temple anwies, mit Zyankali versetzten Fruchtsaft zu trinken. Die Kommune lebte im Dschungel
Nordwest-Guyanas. Was nun folgte, war bis zum 11. September 2001 und abgesehen von Naturkatastrophen oder Krieg das größte Massensterben amerikanischer Bürger, das es je gegeben
hatte. Oder nehmenwir die Londoner Attentate. Am 7. Juli 2005 um 8 Uhr 50, während des Berufsverkehrs, zündeten ein Grundschullehrer, ein Teppichleger und ein Fish-&-Chips-Verkäufer in drei
fahrenden U-Bahn -Zügen gleichzeitig ihre Rucksackbomben und löschten das Leben von 39 Menschen aus, die auf dem Weg zur Arbeit waren. Knapp eine Stunde später, um 9 Uhr 47, zündete das vierte Mitglied des Todeskommandos, ein Achtzehnjähriger, der gerade die Highschool abgeschlossen hatte,
in einem Doppeldeckerbus eine weitere Bombe. Die Zahl der Todesopfer stieg auf 52.
Das sind extreme Fälle; Beispiele der Beeinflussung durch eine Gruppe – durch Radikalisierung, Gehirnwäsche –, die so weit von alltäglichen Erfahrungen entfernt sind, dass sie die Vorstellungskraft wohl der meisten von uns übersteigen.
Doch ist in allen Fällen Beeinflussung im Spiel – uralte Kräfte interpersoneller Anziehung, die Individuen zusammenschweißen.
Sie umfassen ein ganzes Spektrum der Einflussnahme
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